Warte auf das letzte Jahr by Philip K. Dick

Warte auf das letzte Jahr by Philip K. Dick

Autor:Philip K. Dick [Dick, Philip K.]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Moewig 3520
veröffentlicht: 2014-02-03T16:00:00+00:00


9

Die Mitglieder der irdischen Delegation, die an der kurzfristig einberufenen Konferenz teilnahmen, nahmen auf einer Seite des langen Eichentisches Platz; dann erschienen auch die Gesandten des Lilisterns und ließen sich auf den gegenüberliegenden Stühlen nieder. Im Ganzen wirkten sie nicht gerade bösartig, sondern eher überarbeitet und erschöpft, genau wie die Erde von den Anstrengungen des Krieges bis an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit getrieben. Offensichtlich hatten sie wenig Zeit.

»Die Übersetzung«, erklärte ein Sternmensch in Englisch, »wird durch Menschen erfolgen und nicht durch Maschinen, da jede Maschine in der Lage ist, das Gesagte zu speichern, und dies nicht unseren Wünschen entspricht.«

Molinari nickte grunzend.

Dann erschien Freneksy; die Delegierten des Lilisterns und einige Mitglieder der irdischen Abordnung erhoben sich respektvoll. Die Sternmenschen klatschten, als der kahlköpfige, hagere Mann mit dem sonderbar kugelförmigen Kopf grußlos Platz nahm, seine Aktentasche öffnete und einen Stoß Papiere hervorholte.

Aber seine Augen … Als Freneksy kurz zu Molinari hinüberblickte und ihm knapp zulächelte, da bemerkte Eric, daß der Premierminister paranoide Augen besaß. In seiner Laufbahn als Arzt war er diesem Phänomen schon mehrfach begegnet, und es fiel ihm nicht, schwer, dies festzustellen. Freneksys Blick drückte nicht normales Mißtrauen aus; er war starr, leblos durch die Anstrengung, die es bedeutete, all seine Kräfte zusammenzufassen und in einer einzigen psychomotorischen Konzentration zu vereinigen. Es war nicht Freneksys Absicht; tatsächlich war er sogar machtlos dagegen, war gezwungen, seine Landsleute und Berater ebenfalls auf diese Weise zu betrachten, sie kalt zu fixieren. Es war eine Art von Aufmerksamkeit, die es unmöglich machte, sich gefühlsmäßig in ihn hineinzuversetzen; in diesen Augen gab es keinen Hinweis darauf, was in seinem Innern vorging, sie reflektierten dem Beobachter seine eigene Persönlichkeit. Die Augen verhinderten jegliche Verständigung; sie waren wie eine undurchdringliche Mauer.

Freneksy war kein Bürokrat, und es war ihm unmöglich – selbst wenn er es versuchen würde –, sich seinem Amt unterzuordnen. Freneksy blieb ein Mensch – im schlechten Sinne; er bewahrte, selbst wenn er seinen offiziellen Aufgaben nachging, die Essenz seiner Persönlichkeit, als ob alles bewußt und vorsätzlich ein Kampf zwischen einzelnen Personen und nicht zwischen abstrakten oder ideellen Problemen sei.

Premierminister Freneksy, erkannte Eric, beraubte alle anderen der Unverletzlichkeit ihrer offiziellen Ämter, der Sicherheit gewährenden Realität ihrer rechtmäßigen Stellungen. Sobald sie Freneksy gegenüberstanden, wurden sie wieder das, was sie gewesen waren: isolierte, vereinzelte Menschen, die nicht mehr über die Unterstützung ihrer Institutionen verfügten, die sie repräsentieren sollten.

Molinari zum Beispiel. Gewöhnlich war der Maulwurf der UNO-Generalsekretär; ein Mensch, der erfolgreich in seinem Amt aufgegangen war. Aber im Angesicht Freneksys blieb nur der nackte, glücklose, einsame Mann übrig – und in dieser unseligen, unendlich währenden Gestalt mußte er dem Minister entgegentreten. Die normale Relativität der Existenz, das Zusammenleben mit anderen in einem fließenden Zustand mehr oder weniger ausreichender Sicherheit, gab es nicht mehr.

Armer Gino Molinari, dachte Eric. Denn was Freneksy betraf, so hätte der Maulwurf ebensogut gar nicht UNO-Generalsekretär zu werden brauchen. Und in der Zwischenzeit war Premierminister Freneksy sogar noch kühler, noch lebloser geworden. Ihm ging es nicht darum, zu zerstören oder zu herrschen; er nahm seinem Gegner lediglich alles, was er besaß – und ließ ihm buchstäblich nichts.



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