Die Ameisen. by Werber Bernard

Die Ameisen. by Werber Bernard

Autor:Werber, Bernard [Werber, Bernard]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman, tg, non-profit scan
ISBN: 9783492234696
Google: K77lAAAACAAJ
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 1999-01-01T23:00:00+00:00


dann wage ich mir das Schicksal ihrer ›Bürger‹ nicht auszumalen …

Ich fordere Sie nicht etwa aus Mitleid für die Ameisen oder aufgrund ihrer Rechte als Tiere auf, für das Verbot der Spielzeugameisenhaufen zu stimmen. Tiere haben keine Rechte; sie werden in Batterien gezüchtet und für unseren Konsum geschlachtet. Ich fordere Sie auf, für dieses Gesetz zu stimmen, indem Sie sich vorstellen, daß wir selbst vielleicht Versuchskaninchen und Gefangene einer riesigen Struktur sind. Fänden Sie es wünschenswert, wenn eines Tages die Erde einem jungen, unverantwortlichen Gott als Spielzeug zu Weihnachten geschenkt würde?«

Die Sonne steht auf ihrem höchsten Punkt.

Die Spätankömmlinge, Männchen wie Weibchen, drängen sich durch die Adern, die zur Haut der Stadt führen.

Arbeiterinnen schieben sie an, belecken sie, muntern sie auf.

Nr. 56 ist mittlerweile in dieser jubelnden Menge untergetaucht, in der sich sämtliche persönlichen Gerüche vermengen. Hier wird es niemandem gelingen, ihre Düfte zu identifizieren. Sie läßt sich von dem Strom ihrer Schwestern tragen und gelangt immer höher in bislang unbekannte Viertel.

Plötzlich, am Ende eines Gangs, erblickt sie etwas, was sie noch nie gesehen hat. Das Tageslicht.

Das ist zunächst nur ein Lichtschein an den Wänden, doch schon bald verwandelt sich das in blendende Helligkeit. Endlich sieht sie diese mysteriöse Kraft, die ihr die Ammen geschildert haben. Das warme, sanfte, schöne Licht. Die Verlockung einer neuen, märchenhaften Welt.

Sie fühlt sich regelrecht berauscht durch die Aufnahme all dieser rohen Photonen in ihren Augenhöhlen. Als hätte sie zuviel von dem vergorenen Honigtau in der 32. Etage zu sich genommen.

Die 56. Prinzessin geht weiter. Der Boden ist mit Flecken von einem grellen Weiß gesprenkelt. Sie watet durch die warmen Photonen. Für jemand, der seine Kindheit unter der Erde verbracht hat, ist der Unterschied gewaltig.

Eine weitere Biegung. Ein Bündel klaren Lichts schießt hinein, dehnt sich zu einem flimmernden Kreis, dann zu einem silbernen Schleier aus. Das Bombardement des Lichts läßt sie zurückprallen.

Sie spürt die Funken, die in ihre Augen treten, ihre Sehnerven versengen, ihre drei Gehirne martern.

Drei Gehirne … Ein altes Erbe ihrer Vorfahren, der Würmer, die einen Nervenknoten pro Körperring hatten, ein Nervensystem für jeden Teil des Körpers.

Sie kämpft wieder gegen den Photonenwind an. In der Ferne erkennt sie die Gestalten ihrer Schwestern, die von dem Tagesgestirn erhascht werden. Sie sehen aus wie Phantome.

Sie geht weiter. Ihr Panzer wird lauwarm. Dieses Licht, das man ihr tausendmal zu schildern versucht hat, ist mit Worten nicht zu erfassen, man muß es erleben! Sie muß an die Arbeiterinnen aus der Unterkaste der »Pförtnerinnen« denken, die zeitlebens in der Stadt eingeschlossen bleiben und niemals erfahren, wie die Außenwelt und die Sonne sind.

Sie dringt in die Mauer aus Licht ein und gelangt auf die andere Seite außerhalb der Stadt. Ihre Facettenaugen passen sich nach und nach an, während sie das Stechen der wilden Luft wahrnimmt.

Eine kalte Luft, beweglich und duftend, ganz anders als die gezähmte Atmosphäre der Welt, in der sie gelebt hat.

Ihre Antennen wirbeln umher. Sie hat Mühe, sie kontrolliert auszurichten. Ein noch schnellerer Windstoß preßt sie ihr vors Gesicht. Ihre Flügel knattern.

Oben auf der Spitze der Kuppel wird sie von Arbeiterinnen in Empfang genommen.



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