Verbrannte Erde. Stalins Herrschaft der Gewalt by Jörg Baberowski

Verbrannte Erde. Stalins Herrschaft der Gewalt by Jörg Baberowski

Autor:Jörg Baberowski [Baberowski, Jörg]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
ISBN: 9783406632556
Herausgeber: Beck
veröffentlicht: 2012-03-02T00:00:00+00:00


Matwei Schkirjatow, Nikolai Jeschow und Michail Frinowski auf dem Weg zum Roten Platz, 1. Mai 1938

Wenngleich der organisierte Massenmord erst Anfang August beginnen sollte, zeigten die NKWD-Chefs in Westsibirien und im Nordkaukasus früher als andere, wozu sie imstande waren. Ende Juli wurden hier bereits die ersten Opfer verhaftet und erschossen. In den übrigen Regionen setzten die Tötungsaktionen erst ein, als Jeschow den Dienststellen des NKWD den Mordbefehl zugestellt hatte. Schon im September 1937 hatten die Organe des NKWD 100.000 Menschen verhaftet, in manchen Regionen waren die Quoten schon nach wenigen Wochen ausgeschöpft worden. Obgleich in Westsibirien anfangs «nur» 5000 Menschen erschossen werden sollten, hatte der NKWD hier bereits im Oktober fast 14.000 Menschen verhaftet und der ersten Kategorie zugeordnet. In Omsk sollten nur 1000 Menschen ermordet werden, im Dezember 1937 aber berichtete der lokale NKWD-Chef, Gorbatsch, Jeschow, daß inzwischen mehr als 11.000 Menschen getötet worden seien. Gorbatsch hatte keine andere Wahl. Er wußte natürlich nicht, wie viele Menschen in den anderen Regionen der Sowjetunion getötet wurden. Denn weder Stalin noch Jeschow teilten den Funktionsträgern in den Provinzen mit, was anderenorts geschah. Deshalb versuchten die Parteisekretäre und Tschekisten in den Provinzen, möglichst viele Menschen umzubringen, um nicht in Ungnade zu fallen.

In den Sommer- und Herbstmonaten des Jahres 1937 und zu Beginn des Jahres 1938 erhielt Stalin Gesuche von Parteisekretären aus allen Regionen des Landes, die ihn um eine Erhöhung der Quoten baten, im Glauben, sich durch solchen Eifer beliebt zu machen. Der Parteichef von Gorki, dem ehemaligen Nischni Nowgorod, teilte in einem Telegramm am 4. Februar 1938 mit, es seien bereits alle Volksfeinde getötet worden. Nun aber habe man in der Region weitere 9000 «antisowjetische Elemente» aufgespürt, 3000 müßten erschossen, 2000 in Lager eingewiesen werden. Stalin erfüllte die Erwartungen, weil er den Gesuchen in den meisten Fällen zustimmte. Manche Entscheidungen traf er mündlich, gewöhnlich aber genehmigte er die Erhöhung der Quoten durch handschriftliche Vermerke. Am 20. August 1937 schickte er ein Telegramm nach Krasnojarsk, in dem er dem lokalen Parteichef mitteilte, daß er einverstanden sei, die Quoten zu erhöhen. 6600 Menschen dürften zusätzlich erschossen werden. In den meisten Fällen schrieb er auf die Gesuche, er sei «dafür» (sa), und gab sie dann an Jeschow weiter, der sich um die Ausführung der Mordtaten kümmern mußte. Bis zum Dezember 1937 hatte das Politbüro die Quoten in der ersten Kategorie um 22.500 und in der zweiten Kategorie um 16.800 Opfer erhöht. Ende Januar 1938 gab Stalin die Anweisung, es müßten bis Mitte März noch einmal 57.200 Volksfeinde verhaftet, 48.000 von ihnen erschossen werden.[171]

Das Regime taumelte in einen Blutrausch, niemand hielt sich jetzt noch an die Verfahrensregeln, die der Befehl 00447 den Organen auferlegte. In den meisten Regionen bestanden die Troikas nur auf dem Papier, in der Praxis entschieden die Parteisekretäre und NKWD-Chefs eigenmächtig über die Erfüllung der Quoten. Die Verhafteten bekamen gewöhnlich weder einen Ankläger noch einen Richter zu sehen, über ihr Schicksal wurde in Abwesenheit entschieden. Der zuständige NKWD-Chef legte fiktive Untersuchungsakten an, die das Vergehen und die Strafen verzeichneten. Erschossen wurde, wer auf die Todesliste des NKWD geriet.



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