Venedig – Lieblingsorte by Birgit Haustedt

Venedig – Lieblingsorte by Birgit Haustedt

Autor:Birgit Haustedt
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Insel Verlag
veröffentlicht: 2017-03-14T00:00:00+00:00


VAPORETTO FERROVIA

Das Resistenza-Denkmal auf Gleis 9

STAZIONE FERROVIA SANTA LUCIA

BINARIO 9 (GLEIS 9)

Man übersieht es leicht auf Gleis 9 im Bahnhof Santa Lucia, wo die Züge aus Vicenza, Verona, Ferrara oder Padua ankommen: das Denkmal der ferrovieri, der Eisenbahner aus dem Veneto, die im Kampf für die Resistenza ums Leben kamen. Fünf Namen nur, sonst nichts auf der schlichten Bahnsteigsäule.

Anders als Rom gehört Venedig nicht zu den Städten, die für spektakuläre Widerstandsaktionen gegen die deutsche Besatzungsmacht bekannt sind. Denn die Widerstandskämpfer lebten hier noch gefährlicher als anderswo. Es gab nur wenige Fluchtmöglichkeiten, die leicht zu kontrollieren waren: die Wasserseite, die unter den Faschisten 1933 gebaute Autobrücke und natürlich die Eisenbahn, die seit 1846 die Stadt mit dem Festland verbindet. Genau die Eisenbahn aber kontrollierten die Deutschen besonders streng. Denn Stadt und Provinz Venedig waren ein Nadelöhr, ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt für Transporte nach Deutschland und Österreich. Ende 1943 ging es dabei vor allem um Militärtransporte von Kriegsgefangenen ins Reich, wo man sie in den Konzentrationslagern als Arbeitskräfte benutzte – griechische und jugoslawische Kriegsgefangene, die mit deutschen Schiffen in Venedig landeten, aber auch italienische Soldaten, die nicht rechtzeitig vor der deutschen Armee geflüchtet waren. Und die blutjungen Kadetten aus der Marineschule S. Elena. Sie alle wurden in Waggons gepfercht, die anschließend versiegelt wurden. Alles unter strenger Aufsicht.

Bartolomeo Meloni, 1900 in Cagliari auf Sardinien geboren und damals Chefinspektor der staatlichen Eisenbahn Venedigs, bekam das alles mit. Doch er ließ sich nicht abschrecken und gründete mit seinen Eisenbahnerkollegen eine Widerstandsgruppe. Allen war klar, dass heimliche bewaffnete Aktionen unmöglich waren, überall standen wachsame deutsche Soldaten. Verhindern konnte man die Transporte nicht, aber immerhin durch Sabotageakte empfindlich stören. Die Eisenbahner streuten buchstäblich Sand ins Getriebe, zerschnitten Bremsschläuche, schmuggelten Wasser und Brot, manchmal sogar Werkzeug in die Waggons. Und das alles unter den Augen der Deutschen. Ihr Trick: Sie versteckten nichts, taten, als ob sie ganz normal arbeiteten.

Lange aber ging das nicht gut. Zwei Monate nur konnte Meloni den Widerstand organisieren, bevor er am 4. November 1943 von der SS verhaftet wurde. Nach einer Odyssee durch verschiedene Lager starb er 1944 in Dachau. Ein besonnener Mann sei er gewesen, erinnerten sich Kollegen nach dem Krieg, ein gläubiger Katholik und eher ein leiser Mensch, kein typischer Held. Aber er und seine Eisenbahnerkollegen waren die Ersten, die in Venedig aktiv wurden und damit anderen Mut gemacht haben. Dafür werden Meloni und weitere vier Eisenbahner dort geehrt, wo sie versuchten, die mörderischen Transporte zu behindern: im Bahnhof.



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