Toter Sommer: Roman (German Edition) by Kat Rosenfield

Toter Sommer: Roman (German Edition) by Kat Rosenfield

Autor:Kat Rosenfield [Rosenfield, Kat]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104023243
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2015-02-22T16:00:00+00:00


Amelia

Luke war blendender Laune, als sie die Auffahrt zur I-95 hinauffuhren, und als sie Connecticut erreichten, griff er Amelias Hand und verkündete laut: »Willkommen im weißesten Staat Amerikas!«

Sie lachte und blickte zum Fenster hinaus. Der Nachmittag war grau gewesen, und hin und wieder war ein Regentropfen auf die Windschutzscheibe gefallen, doch jetzt schienen sich die Wolken über ihnen aufzulockern. Sie sahen aus, als dehnten sie sich, hellten sich auf und streckten rosa Fühler nach Westen hin aus, hinter ihren Rücken, wo die Sonne allmählich versank. Sie warf ihre Strahlen in den Rückspiegel und färbte Amelias Hals und Kinn hell orangefarben. Ein kühler, feuchter Wind wehte durch das Fenster herein. Er kam von weit her, vom Meer, das sie noch nicht sehen konnte, wohin die Straße sie aber zuverlässig führen würde, wenn sie ihr bis zum Ende folgten. Dann würden sie nach Cape Cod gelangen, eine Reihe von Kreiseln passieren und schließlich einen gewundenen Weg zu dem kleinen, mit Schindeln verkleideten Haus einschlagen, das den Sommer über ihnen gehören würde. Die Brise strich über ihre Oberarme. Luke hatte mit einer für ihn uncharakteristischen, aber amüsanten Vulgarität gesagt, es gefalle ihm, wie das dünne Jerseykleid, das sie für die Reise gewählt hatte, an ihren Titten klebe, doch jetzt zitterte sie und wünschte, sie hätte sich einen Pullover aus ihrer Reisetasche geholt. Nun war es jedoch zu spät, die Tasche lag unerreichbar im Kofferraum.

Luke schien ihre Gedanken erraten zu haben, denn er wand sich umständlich aus seinem Kapuzensweatshirt, reichte es ihr und sagte: »Hier, zieh das an.«

»Kannst du Gedanken lesen?«, fragte sie lächelnd. Sie legte sich das Sweatshirt über die Knie wie eine Decke und zog die Knie darunter an. Der weiche Stoff roch wunderbar männlich, nach einer Mischung aus Schweiß und Deodorant.

»Das kann ich tatsächlich«, antwortete Luke lachend. »Doch in diesem Fall hat mir mein hochentwickelter Spürsinn geholfen. Du hast nämlich mit deinem Zittern das ganze Auto zum Wackeln gebracht.«

»Ha, ha«, sagte sie. »Aber bestimmt bist du jetzt enttäuscht, weil du meine Titten nicht mehr sehen kannst.«

Er sah zu ihr hinüber und seufzte übertrieben.

»Leider, leider. Aber ich kann damit leben.«

»Dann vergibst du mir also?«

»Na ja, es kommen noch andere Zeiten, andere Fahrten und« – er legte eine Kunstpause ein – »andere Titten.«

Dann rief er: »Hey, nicht hauen! Ich muss fahren!«

Amelia setzte sich wieder richtig hin. Sie lachte immer noch, starrte ihn gespielt wütend an und schob ihre Hände zurück unter den Pulli. Die sinkende Sonne fiel durch das Heckfenster herein, ließ das Wageninnere orangefarben leuchten und badete das Armaturenbrett in warmen Rottönen. Luke und Amelia grinsten sich an, während die Sonne schließlich hinter dem Horizont verschwand. Vor ihnen erstreckte sich bis weit in die Ferne der graue Highway mit seinem schmalen, gestrichelten Mittelstreifen. Weit und breit sah man nichts als Asphalt, Bäume und ein grellgrünes Schild, das eine Raststätte in wenigen Kilometern ankündigte.

Amelia ließ sich tiefer in den Sitz sinken und seufzte.

»Alles klar bei dir?«

»Ja, nur ein bisschen müde«, antwortete sie. »Und daran bist nur du schuld.«

Luke trommelte sich wie ein Affe auf die Brust und grunzte.



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