Teuflische Versprechen by Andreas Franz

Teuflische Versprechen by Andreas Franz

Autor:Andreas Franz
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2004-12-31T23:00:00+00:00


Freitag, 10.15 Uhr

Hans Simoneit hatte sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen und nahm den Hörer vom Telefon. Er tippte eine Handynummer ein, und als sich am andern Ende jemand mit »Hallo« meldete, sagte er: »Ich bin’s. Ich wollte nur schnell Bescheid geben, dass heute Abend alles klargeht. Binder kommt.«

»Ich habe nichts anderes erwartet«, erwiderte Thorsten. »Hast du die Unterlagen genau studiert?«

»Hab ich. Binder wird unterschreiben, auch wenn er noch nicht weiß, was auf ihn zukommt. Wir sehen uns. Bist du noch in Belgrad?«

»Auf dem Weg zum Flughafen. Bis nachher.«

Er legte auf, lächelte sinnierend vor sich hin, stellte sich ans Fenster und sah hinaus auf den herbstlichen Garten. Der Rasen war bedeckt von gelbem und braunem Laub, das der Gärtner, der zweimal die Woche kam, am Nachmittag zusammenkehren und entsorgen würde. Nach fünf Minuten drehte er sich um, warf einen Blick auf den Schreibtisch, der aufgeräumt wie immer war – nur selten erledigte Hans hier seine Arbeit –, nahm seinen Aktenkoffer, ging ins Erdgeschoss, wo seine Frau Kirsten war, und sagte: »Ich muss weg, Liebling, ein wichtiger Termin. Es kann sehr spät werden. Aber möglicherweise komm ich auch zwischendurch noch mal kurz nach Hause.«

»Viel Spaß.« Sie sah ihm in die Augen, den Mund leicht spöttisch verzogen. Sie war eine Idee größer als er, sehr schlank und gepflegt, trug eine helle Jeans, einen flauschigen Norwegerpullover und braune, elegante Hausschuhe. Sie hatte das halblange, leicht naturgewellte braune Haar hinten zusammengebunden, was sie noch etwas jugendlicher wirken ließ, als sie ohnehin schon aussah. Sie war sechsundvierzig – die meisten, die sie sahen, schätzten sie jedoch nicht älter als Mitte dreißig –, ihr Gesicht war beinahe faltenlos, und viele fragten sich, ob sie schon fremde Hilfe für ihr Aussehen in Anspruch genommen hatte. Dabei war alles echt an ihr, das Jugendliche war ihr in die Wiege gelegt worden, selbst ihre Mutter, die mittlerweile Mitte sechzig war, sah aus wie eine Fünfzigjährige. Kirsten Simoneit schwamm jeden Morgen nach dem Aufstehen eine Viertelstunde im hauseigenen Pool, ließ einmal in der Woche die Kosmetikerin kommen und ihre Hände und Füße maniküren und pediküren, ernährte sich fast ausschließlich vegetarisch, machte nur Ausnahmen, wenn es sich nicht vermeiden ließ, und kümmerte sich liebevoll um die Kinder, die eigenen und jene, die sie betreute, die durch die Hölle gegangen waren, die Missbrauch und Misshandlungen erlebt hatten. Sie hatte mittlerweile über zwanzig ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und viele Spender, die zum Teil großzügig das Projekt finanziell unterstützten.

»Den werde ich bestimmt nicht haben«, erwiderte Hans und gab ihr einen Kuss auf die Wange (auf die Lippen hatte er sie zuletzt vor Ewigkeiten geküsst). Sie wandte den Kopf zur Seite und sich schnell ab von ihm. »Was ist los?«, fragte er verwirrt, obwohl er schon lange auf diesen Moment gewartet hatte, auf den Moment, dass sie ihm jene unangenehmen Fragen stellen würde, die er nicht hören wollte. Oder vielleicht sogar die Frage schlechthin, wo er sich denn fast Abend für Abend rumtreibe. Er spürte instinktiv, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, Stellung zu beziehen, was ihre Ehe und sein heimliches Privatleben betraf.



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