Seit du bei mir bist by Sparks Nicholas

Seit du bei mir bist by Sparks Nicholas

Autor:Sparks, Nicholas [Sparks, Nicholas]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne, 2017
veröffentlicht: 2017-02-27T10:38:33+00:00


Kapitel 15

Einen Tag nach dem anderen

Ich war immer dabei, als meine Mutter ein Familienmitglied nach dem anderen verlor. Ich war dreizehn, als mein Großvater starb, achtzehn beim Tod meiner Großmutter, einundzwanzig bei dem ihres ersten Bruders und achtundzwanzig, als der andere von dieser Welt in die nächste glitt.

In jedem Fall trug meine Mutter die größte Last. Alle vier starben erst nach langer Krankheit mit häufigen Klinikaufenthalten, bei denen ihnen Gift verabreicht wurde, in der Hoffnung, den Krebs zu töten, bevor er tötete. Es gab Haarverlust und Übelkeit, Schwäche und Gedächtnisverlust. Und Schmerz. Immer gab es viel zu viel Schmerz. Und meine Mutter war immer da. Jeden Abend fuhr sie nach der Arbeit zu ihnen und blieb stundenlang. Sie tupfte ihnen das Gesicht mit einem feuchten Tuch ab und gab ihnen Nahrung mithilfe von Strohhalmen. Im Laufe der Zeit war sie mit den Ärzten und Schwestern aus drei unterschiedlichen Kliniken per Du. Wenn es so weit war, kümmerte sie sich um die Beerdigung, und ich wusste immer, dass sie sich trotz unserer Anwesenheit sehr allein fühlte.

In den Wochen und Monaten nach jener vierten Beerdigung rechnete ich zunächst damit, dass sie wieder auf die Beine käme wie bisher auch. Rein äußerlich hatte sie sich nicht verändert, sie trug immer noch Schürzen und hielt sich meistens in der Küche auf, wenn Vivian und ich zu Besuch waren. Doch sie war ruhiger als sonst, und immer mal wieder ertappte ich sie dabei, dass sie aus dem Küchenfenster starrte, ohne uns überhaupt wahrzunehmen. Vivian war diejenige, die schließlich vermutete, dass es nicht allein um den jüngsten Verlust ging, sondern die Trauer meiner Mutter sich aufgestaut hatte, und das leuchtete mir sofort ein.

Wie ist es, seine ganze Familie zu verlieren? Vivians Bemerkung löste in mir ein schmerzliches Mitgefühl für meine Mutter aus. Ihr Verlust war gleichsam zu meinem geworden, und in der Folge besuchte ich sie häufiger. Zwei- oder dreimal pro Woche fuhr ich nach der Arbeit vorbei, und obwohl wir nicht darüber sprachen, was sie gerade durchmachte, schwang es immer mit, in einer alles umfassenden Traurigkeit.

Eines Abends kam ich zum Haus und sah meinen Vater die Hecke schneiden, während meine Mutter auf der Veranda scheinbar schon auf mich wartete. Mein Dad tat, als hätte er mich nicht bemerkt, und drehte sich nicht einmal um.

»Komm, wir fahren ein Stückchen«, verkündete meine Mutter. »Besser gesagt, du fährst.«

Sie marschierte zu meinem Wagen, setzte sich auf den Beifahrersitz und schloss die Tür.

»Was ist los, Dad?«

Er hielt kurz inne, immer noch, ohne mich anzusehen. »Mach es einfach. Es ist wichtig für sie.«

Ich gehorchte, und als ich fragte, wohin es gehen sollte, sagte sie, zur Feuerwache.

Verwirrt folgte ich ihrer Anweisung, und als wir fast da waren, forderte sie mich plötzlich auf, rechts abzubiegen. Zwei Straßen weiter ging es nach links. Mittlerweile wusste ich, wohin sie wollte, und wir hielten schließlich neben einem zu beiden Seiten von Bäumen umgebenen Tor. Vor uns befand sich der Wasserturm, und als meine Mutter ausstieg, folgte ich ihr.

Eine Zeit lang schwieg sie.

»Warum sind wir hier, Mom?«

Sie legte den Kopf zur Seite, und ihr Blick ruhte auf der Leiter, die nach oben führte.



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