Schluss mit dem Bullshit! by Hürter Tobias; Rauner Max

Schluss mit dem Bullshit! by Hürter Tobias; Rauner Max

Autor:Hürter, Tobias; Rauner, Max
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2014-08-19T16:00:00+00:00


Heilen mit Magneten

Die Auseinandersetzung zwischen wissenschaftlicher und alternativer Medizin ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Die Streithähne reden aneinander vorbei, weil ihre Grundannahmen über die Welt nicht kompatibel sind. Beide Seiten reden von Heilung, meinen aber unterschiedliche Dinge. Diesen Grundkonflikt kann man bis in die Zeit vor der Französischen Revolution zurückverfolgen, genauer: bis zu einem Tag im Mai 1784.

An jenem Tag hatten sich mehrere Männer auf dem weitläufigen Anwesen von Benjamin Franklin, dem amerikanischen Botschafter in Frankreich, am Rande von Paris versammelt, darunter Franklin selbst, der Chemiker Antoine Lavoisier und weitere Mitglieder der Akademie der Wissenschaften sowie Charles Deslon, der Leibarzt des Bruders von Ludwig XVI. Nachdem Deslon einen von fünf Bäumen im Garten nach eigenen Angaben »magnetisiert« hatte, indem er mehrmals mit einem Stock darauf zugegangen war, wurde ein zwölfjähriger Junge, dem man die Augen verbunden hatte, in den Garten geführt. Deslon hatte den Jungen mitgebracht. Dieser sollte nun die Bäume für jeweils zwei Minuten umarmen. Er spüre ein zunehmendes Taubheitsgefühl, berichtete der Junge bei den ersten drei Bäumen. Nachdem er den vierten Baum umarmt hatte, fiel er in einen tranceartigen Zustand. Auf den Rasen gelegt, krampfte er einige Male und kam dann wieder zu sich.

Die seltsame Szene war keine Voodoo-Zeremonie, sondern eine der ersten Blindstudien der Geschichte. Das Ziel: zu erforschen, ob der »animalische Magnetismus« wirklich existiere. Deslons Lehrmeister, der deutsche Arzt Franz Anton Mesmer, geboren 1734 in Iznang in der Nähe von Radolfzell am Bodensee, sorgte damit in Frankreich für Aufsehen. Sechs Jahre zuvor war Mesmer von Wien nach Paris übergesiedelt und hatte in einer Wohnung an der Place Vendôme eine Praxis eröffnet, die sich bald großen Zulaufs erfreute und landesweit für Schlagzeilen sorgte. Mesmers Heilmethode war außergewöhnlich: Die Patienten saßen gemeinsam mit Gesunden um einen mit Eisenspänen und Sand gefüllten Holzzuber, in dem »mesmerisierte« Wasserflaschen wie Speichen eines Rades angeordnet waren. Die Anwesenden waren durch ein Seil miteinander verbunden und hielten Eisenstäbe in das Gefäß. Auf diese Weise werde der tierische oder animalische Magnetismus von den Gesunden auf die Kranken übergeleitet, behauptete Mesmer. Gekleidet in eine lila Taftrobe, schritt der Arzt bei Dämmerlicht durch die Reihen und berührte schmerzende Körperteile mit seinem langen Eisenstab. Oft fielen Patienten in Trance oder wurden von Krampfanfällen geschüttelt. Ein Helfer brachte sie dann ins Nachbarzimmer, wo er sie auf eine Matratze legte. Mesmers Séancen waren ein Spektakel.

Auch das gemeine Volk suchte seine Praxis auf. Zeitungen diskutierten den Mesmerismus, Patienten berichteten über die wundersame Heilung aller möglichen Leiden, und sogar am königlichen Hof in Versailles waren seine Dienste gefragt. Königin Marie Antoinette, eine gebürtige Wienerin, erhielt regelmäßig Privatbehandlungen. »Das französische Volk«, schrieb Alexandre Dumas, »wurde auf eine unwiderstehliche Weise durch das seltsame Geheimniß des Mesmerischen Fluidums hingerissen, das nach der Behauptung der Ärzte den Kranken Gesundheit, den Narren Geist und den Weisen Narrheit verlieh.« Im ganzen Land wurde Mesmers Therapie von der Société de L’Harmonie angeboten.

Dem Mesmerismus lag ein Schlüsselerlebnis zugrunde, das der junge Arzt in Wien während der Behandlung einer Patientin hatte, die er zur Ader ließ. Der Blutfluss schien davon abzuhängen, wie weit Mesmer sich von der Frau entfernte.



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