Revolution oder Evolution: Das Ende des Kapitalismus? (German Edition) by Tomas Sedlacek & David Graeber & Roman Chlupatý

Revolution oder Evolution: Das Ende des Kapitalismus? (German Edition) by Tomas Sedlacek & David Graeber & Roman Chlupatý

Autor:Tomas Sedlacek & David Graeber & Roman Chlupatý [Sedlacek, Tomas]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446443204
Herausgeber: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 2015-02-02T05:00:00+00:00


Über die

(Un)natürlichkeit

des Systems

RC Wir möchten nicht vulgär erscheinen, wir verweigern uns dem Diktat des Systems und tänzeln herum. Dadurch werden die vorherrschenden Strukturen in gewisser Weise negiert oder zumindest ausgehöhlt. Aber dennoch bleiben die Strukturen bestehen. Liegt das nur an der vorhin erwähnten Überzeugung, dass es keine Alternative gibt?

DG Das eine Prozent markiert den Punkt, ab dem Wohlstand zu Macht wird. Aus den Statistiken geht nicht nur hervor, dass das oberste eine Prozent der Bevölkerung die einzige Gruppe ist, die in den vergangenen zehn Jahren tatsächlich wirtschaftliches Wachstum erlebt hat, sondern dass diese Leute auch fast 95 Prozent aller Wahlkampfspenden für die politischen Parteien aufbringen. In erster Linie geht es also nicht darum, dass diese Leute es schaffen, zu Geld zu kommen, sondern darum, dass es ihnen gelingt, es in Macht umzuwandeln. (Viele sagen, dass es eigentlich nicht jene ein Prozent sind, sondern nur die obersten 0,001 Prozent, die den Ton angeben.) Zu den faszinierendsten Erscheinungen der bestehenden Ordnung gehört meines Erachtens die Schaffung dieser unpersönlichen Mechanismen, über die wir bereits gesprochen haben und die sogar jene disziplinieren, die das System lenken. Sie steigern das Ausmaß an Prekarität und Unsicherheit und beruhen auf einer Marktrhetorik, die die Phantasie zerstört und alle vernünftigen Alternativen untergräbt, die für die Situation gefährlich werden könnten, wenden sich schließlich aber gegen sich selbst. Wir haben es hier mit einer Frankenstein-Kreatur zu tun. Tatsächlich verkörpern diese unpersönlichen Mechanismen das System selbst. Mich hat es sehr beeindruckt, als vor fünf oder sechs Jahren eine Gruppe amerikanischer Konzernlenker einen Brief an George W. Bush schrieb, in dem es sinngemäß hieß: »Zu erwarten, dass sich das Problem der Erderwärmung durch freiwillige Maßnahmen würde lösen lassen, wäre verfehlt. Glauben Sie uns, wir sind schließlich Vorstandschefs von Unternehmen. Wir brauchen gewisse staatliche Vorgaben für die Emissionen.« Der Brief forderte sozusagen: »Halte mich auf, bevor ich die Katze umbringe.« Oder anders gesagt: »Die Logik des von uns geschaffenen Systems, das uns vollständig im Griff hat, bedeutet, dass wir uns in einer gewissen Weise verhalten müssen, die wir im Endeffekt als sozial destruktiv erkannt haben. Wir wünschen uns einen Planeten, auf dem unsere Errungenschaften auf unsere Kinder übergehen, doch wir sind dabei, ihn zu zerstören – halten Sie uns deshalb bitte auf.« Menschen, die eine bestimmte Art von unpersönlichen Mechanismen hervorgebracht haben, die in hohem Maße zerstörerische Auswirkungen nach sich ziehen, verlangen also von der Regierung, eine andere Art von unpersönlichen Mechanismen zu schaffen, die sie daran hindern, sich weiter so zu verhalten. Und wenn es sich bei diesen Leuten gewissermaßen um die Lenker des Systems handelt, sagt das einiges darüber, wie sich diese Dinge vollziehen. Für mich war das eine der aufschlussreichsten Erkenntnisse, die ich bisher gewonnen habe. Jene, die das System erschaffen, werden also am meisten von ihm gegängelt und eingeschränkt. Das ist doch wirklich ein starkes Signal, nicht wahr?

RC Sie sagen: »Wenn jemand das System lenkt«. Bedeutet das, dass Sie glauben, dass sich dieses System bereits wie der legendäre Frankenstein jeder Kontrolle entzogen hat und de facto ein Eigenleben führt?

DG Ich habe einen Freund, der Rockefeller heißt.



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