Rekke & Vargas 02 - Das Bild der Toten by Lagercrantz David

Autor:Lagercrantz, David [Lagercrantz, David]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2024-01-11T00:00:00+00:00

Dreiunddreissig

Auf dem Weg zum Monument am amerikanischen Soldatenfriedhof in der Normandie sah Magnus einen Mann mittleren Alters mit dunkel gelocktem Haar, das an den Schläfen schon weiß wurde. Er meinte den Mann zu kennen, konnte ihn aber nicht einordnen.

Dieser Typ war lächerlich beliebt. Alle wollten ein paar Worte mit ihm wechseln. Könnte das irgendein Strippenzieher sein, von dem er nur noch nicht gehört hatte? Nein, das war unmöglich, denn niemand hatte einen besseren Überblick als er. Doch dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Der Mann war Tom Hanks! Ein Schauspieler. Forrest Gump, dachte er mit einem verächtlichen Schnauben und drängte sich vorbei. Das Gekrieche vor Hollywoodstars fand er unerträglich. Das war noch schlimmer als bei Angehörigen des Königshauses. Die Leute verloren komplett den Verstand und wollten ein Selfie. Aber Moment … vielleicht gab es doch noch Hoffnung. Dahinten ging ein kleiner Mann mit schütterem Haar und eingesunkenen Wangen und scherte sich überhaupt nicht um diesen Aufstand. Oder zumindest tat er so, denn Magnus war klar, dass auch dieser Mann den Umgang mit Stars liebte, auch wenn Tom Hanks für seinen Geschmack sicherlich zu zaghaft und zu liberal war. Putin war mehr für Action und Muskeln, die Kategorie Steven Seagal.

»Wladimir Wladimirowitsch!«, rief er ein wenig zu laut, und da machte sich in der Entourage sofort Unruhe breit, ob das nun daran lag, dass Magnus sich so schnell bewegte oder sich unangemessen ausdrückte. Also fügte er schnell hinzu: »Herr Präsident.«

»Magnus.«

Er konnte nicht anders, ihm schmeichelte, dass dieser bedeutende Mann ihn beim Vornamen nannte. Vor Putin bildete sich eine Öffnung in der Reihe der Bodyguards, eine Hand wurde vorgestreckt, ein etwas lahmer Handschlag, aber trotzdem – er bemerkte im Augenwinkel, dass die Leute, und vielleicht sogar Forrest Gump, zu ihnen hersahen.

»Wie geht es Ihnen?«, fragte er.

Er erhielt ein gleichermaßen wachsames wie belustigtes Lächeln zur Antwort.

»Viel Arbeit.«

»Sie sehen blendend aus.«

Putin machte eine Miene, als ob er genau diese Worte den ganzen Tag über schon zu oft gehört hätte.

»Und Glückwunsch zum Wahlsieg«, fuhr Magnus fort. »Da hatten Sie nicht viel Konkurrenz, nicht wahr?«

»Das ist jetzt Geschichte.«

»Die täglich neu geschrieben wird. Darf ich Sie nach einem gemeinsamen …« Er zögerte. Was sollte er sagen? Gemeinsamer Freund oder Feind? Seit dem Bombenanschlag auf Morovia und seinen Jungen war so vieles unklar. »Nach einer Person fragen, die wir beide kennen«, korrigierte er sich.

»Um wen geht es?«

»Gabor Morovia.«

Putins Blick wurde eisig, und Magnus dankte dem Himmel, dass er nicht »Freund« oder auch nur »Bekannter« gesagt hatte. Putin hasste Gabor, so viel war klar. Doch im nächsten Moment lachte der Präsident trotz allem, und da grinsten alle anderen ebenso, auch wenn sie kaum verstanden, worum es ging.

»Haben Sie Probleme mit ihm?«, fragte er.

»Noch nicht«, antwortete Magnus ehrlich.

Putin lehnte sich vor und sah ihn mit einem Blick an, der unmöglich zu deuten war. »Dann erschießen Sie ihn doch.«

Das war natürlich ein Witz. Trotzdem lief Magnus ein Schauer über den Rücken, nicht nur weil es unerhört war, so etwas von einem der mächtigsten Männer der Welt zu hören. Nein, diese Worte formulierten auch einen heimlichen Traum.

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