Poetik by Aristoteles

Poetik by Aristoteles

Autor:Aristoteles [Aristoteles]
Format: epub
veröffentlicht: 2010-06-14T09:59:56+00:00


* * *

KAPITEL XXII

1. Die Güte des sprachlichen Ausdrucks be steht darin, daß er klar und nicht flach (banal) ist. Am klarsten ist er nun freilich, wenn er sich nur allgemein gebräuchlicher Wörter bedient, was aber Flachheit mit sich bringt. Ein Beispiel dafür bietet die Dichtung des Kleophon und die des Sthenelos. Erhaben und das Gewöhnliche (Alltägliche abstreifend wird er durch die Anwendung fremdartiger Wörter. Unter einem fremdartigen Wort verstehe ich die Glosse, die Metapher, die Erweiterung und überhaupt alles, was sich von dem Alltäglichen entfernt.

2. Wollte aber jemand in lauter derartigen Wörtern dichten, so wird sich entweder ein Rätsel oder ein Kauderwelsch (Barbarismus) ergeben und zwar, falls in Metaphern, ein Rätsel; falls in Glossen, ein Kauderwelsch. Denn es liegt im Wesen des Rätsels, zwar Tatsächliches zu sagen, aber Unmögliches zu verbinden. Durch die Verknüpfung anderer Wörter kann man dies nicht bewirken, durch eine Verknüpfung von Metaphern aber ist dies möglich, wie z.B.

Einen sah ich mit Feuer das Erz anlöten dem andern[57] und dergleichen. Aus Glossen entsteht (wie gesagt), der Barbarismus ‹z.B. ....›.

Man muß daher diese Formen, nämlich die Glosse, die Metapher, die schmückende Bezeichnung und die übrigen bereits erwähnten Arten in einer gewissen Mischung verwenden. So wird man etwas nicht Alltägliches und nicht Flaches schaffen, das Allgemeingebräuchliche wird dagegen die (nötige) Deutlichkeit verleihen.

c. 22, 3. Der sprachliche Ausdruck.

3. Aber den keineswegs geringsten Teil zur Klarheit (1458b) des sprachlichen Ausdrucks, ohne darum ins Alltägliche zu verfallen, tragen Verlängerungen, Verkürzungen und Umwandlungen bei. Da sie nämlich anders lauten als das allgemein Gebräuchliche bewirkt das vom Üblichen Abweichende, daß man nichts Alltägliches zustande bringt; durch die Verquickung mit dem allgemein Gebräuchlichen dagegen wird die Klarheit sich ergeben.

4. Deshalb sind diejenigen Nörgler im Unrecht, welche eine derartige Redeweise einer scharfen Kritik unterziehen und den Dichter (Homer) verhöhnen, wie Eukleides der Ältere es getan, indem er behauptete, daß es gar leicht sei zu dichten, wenn jemand berechtigt wäre, (Vokale) nach Gutdünken zu verlängern oder zu verkürzen und jenes (Verfahren) in dem Ausdruck selbst verspottete.[58]

Ĕ̅pichár | en[59] ĭ̅ | don Mara | thónade bă̅di | zonta (= Aepicharen sah ich gen Marathón spazieren gehen)

Ouk an | g' ě̅ramen | os ton | keínon | ellě̅ | bŏ̅ron[60] (= Der wohl kaum in Liebe entbrannte für jenes Niésswurz.)

Freilich ist ein irgendwie augenfälliges Verfahren dieser Art lächerlich. Aber eine maßvolle Anwendung ist überhaupt eine gemeinsame (Vorbedingung) für alle Teile (des sprachlichen Ausdrucks). Denn wollte jemand geschmacklos, d.h. absichtlich auf die komische Wirkung rechnend, Metaphern, Glossen und die übrigen Arten anwenden, würde er dasselbe erreichen (wie bei jenen Dehnungen).

c. 22, 5. Der sprachliche Ausdruck.

5. Welch einen Unterschied die angemessene Verwendung (dieser Formen) macht, möge man am Epos sich veranschaulichen, indem man die allgemein gebräuchlichen Wörter in den Vers setzt und auch wenn jemand bei der Glosse, der Metapher und den übrigen Arten die allgemein gebräuchlichen Wörter dafür eintauscht, würde er sehen, daß unsere Behauptung wahr ist. So hat z.B. Euripides denselben jambischen (Trimeter) gedichtet wie Aischylos und nur durch das Einsetzen eines einzigen Wortes, nämlich einer Glosse statt



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