Ornithomania by Bernd Brunner

Ornithomania by Bernd Brunner

Autor:Bernd Brunner [Brunner, Bernd]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-462-30992-8
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2015-10-13T16:00:00+00:00


Kolibris

Die Eroberer der Neuen Welt jagten nach anderen Schätzen, aber die funkelnden Vogelzwerge, die wie eine kleine Wolke um sie herumschwirrten, gaben ihnen Rätsel auf: War dieses Wesen ein Insekt? Ein Vogel? Die Franzosen nannten ihn oiseau mouche (Fliegenvogel), die Portugiesen beija flor (Blumenküsser) oder chupa flor (Blumenlutscher), die Spanier pica flor (Blumenstecher), die Engländer seit etwa 1640 hum-bird, später dann hummingbird. Sehr kleine Arten nennt man in Brasilien auch besourinho (kleiner Käfer), und der Bienenelfe gaben die Kubaner den zauberhaften Namen Zunzuncito. Der Begriff Kolibri ist vermutlich karibischen Ursprungs. Carl von Linné, der von den heute rund 340 bekannten Arten 18 kannte, verordnete ihm dann 1758 den wissenschaftlichen Namen Trochilus – hier gibt es kurioserweise einen Zusammenhang zu trochilus, einer Figur der griechischen Mythologie beziehungsweise dem Zaunkönig.

Die erste Erwähnung der fieberhaft wirkenden Vögel findet sich in den Reiseberichten von Jean de Léry, der zu einer Gruppe von Seeleuten gehörte, die an die brasilianische Küste entsandt worden war. In seinem 1557 veröffentlichten Bericht schreibt er über einen Vogel, dessen Körper »nicht größer als der einer Hornisse oder eines Hirschkäfers« sei – »ein einzigartiges Wunder und Kunstwerk der Kleinheit«. Georg Markgraf, der 1638 nach Brasilien fuhr, bezeichnet den gerade einmal vier Gramm leichten Rubinkehlkolibri in seiner 1648 erschienenen Historia Rerum Naturalium Brasiliae als den schönsten seiner Art, hatte also schon mehrere gesehen. Die ungewöhnlichen Merkmale dieser Wunderwesen waren immer eine Anekdote wert. In Mundus Mirabilis Tripartitus (1689), einer Zusammenstellung von Kuriositäten, wie sie damals beliebt waren, erwähnt Eberhard Werner Happel ein »Vögelein von hochglänzenden Federlein«: »Es ist kaum eines Daumes lang und sauget an den Blumen wie eine Biene.« An anderer Stelle kommt er auf Bewegung des Mini-Vogels zu sprechen: »In Schnelle des Flugs gehet es allen Vögeln vor, und wann sie fliegen, klinget es wie das Sausen eines Würbel-Windes.«

Eine ungewöhnliche Szene zeigt Maria Sibylla Merian, die 1699 die holländische Kolonie Surinam bereist, dort Insekten, Pflanzen und Tiere beobachtet und eine Rotfußvogelspinne malt, die einen Kolibri in ihren Fängen hat. Ungewöhnlich deswegen, weil Kolibris außer dem Menschen kaum Feinde haben. Als Akrobat der Luft können sie, wenn Gefahr droht, schnell Reißaus nehmen. Zugleich sind Kolibris auf eine Weise furchtlos, die viele Beobachter verblüfft hat: »Siehe, wie er durch die Luft saust wie ein Gedanke! – jetzt ist er nicht einmal einen Meter von Deinem Gesicht entfernt! – und kurz darauf schon wieder weg! jetzt flattert er von Blume zu Blume, um an dem silbrigen Tau zu nippen – nun ist er ein Rubin – gleich ein Topas – jetzt ein Smaragd – jetzt poliertes Gold«, so der englische Naturkundler Charles Waterton (1782 – 1865), der Lateinamerika im frühen 19. Jahrhundert bereist.

Kolibris zählen neben den Paradiesvögeln zu den Highlights der naturkundlichen Sammlungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Vielerorts verkaufen Jäger die oft nur auf die Schnelle präparierten Tiere an Naturkundemuseen und Vogel-Aficionados. Ein englischer Händler soll im frühen 19. Jahrhundert allein in einem Jahr vierhunderttausend Stück von den Antillen importiert haben. In den viktorianischen Salons sind sie so etwas wie künstliche Blumen und enden oft als Staubfänger.



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