Olivia by V.C. Andrews
Autor:V.C. Andrews [Andrews, V.C.]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Edel eBooks
veröffentlicht: 2015-04-22T16:00:00+00:00
Mutter starb vier Tage später mitten in der Nacht. Wenige Stunden, bevor der Anruf kam, hatte es angefangen zu regnen, und die Tropfen ähnelten dem Ticken einer Uhr, als sie an meine Fensterscheiben pochten. Wie Tränen strömten sie im Zickzack an dem Glas hinab. Gelegentlich war in der Ferne ein helles Wetterleuchten zu sehen.
Ich hörte das Telefon läuten, und keine fünf Minuten später hörte ich ein leises Klopfen an meiner Schlafzimmertür. Das Herz pochte in meiner Brust. Ich spürte eine Woge von Hitze durch meinen Körper strömen. Auch wenn man schon lange mit schlechten Nachrichten rechnete, war es ein Schock, wenn es dann tatsächlich dazu kam. Ich stand langsam auf, schlüpfte in meinen Morgenmantel und ging zur Tür. Dort fand ich Daddy in seinem Schlafanzug, barfuß und mit zerzaustem Haar vor. Er war kreidebleich. Sogar seine Lippen hatten jede Spur von Farbe verloren.
»Der Anruf kam vom Krankenhaus«, sagte er. »Deine Mutter weilt nicht mehr unter uns.« Er wandte sich ab wie ein unbeseelter Todesbote und ging zu Belindas Zimmer, um an ihre Tür zu klopfen. Er mußte länger warten, bis sie die Tür öffnete. Ich stand in der Tür meines Zimmers und lauschte, während er ihr denselben Bericht erstattete. Dann hörte ich Belindas Wehklagen.
»Ich muß hinfahren«, sagte Daddy und drehte sich wieder zu mir um. »Papiere müssen unterschrieben werden.«
»Ich fahre mit dir«, sagte ich.
»Nein, nein, bleib lieber bei deiner Schwester«, erwiderte er. Dann ging er wieder in sein Schlafzimmer und schloß die Tür hinter sich.
Einen Moment lang blieb ich regungslos stehen und lauschte Belindas Heulen und Schluchzen. Ich selbst hatte bisher noch keine Träne vergossen. Nach einer Weile ging ich in Belindas Zimmer, um nach ihr zu sehen. Sie saß auf dem Fußboden vor ihrem Bett, hatte einen Arm an das Bettgestell gepreßt und ihren Kopf darin begraben und zuckte von Kopf bis Fuß.
»Mommy«, hörte ich sie wiederholt schluchzen. Endlich holte sie Atem, drehte sich um und blickte zu mir auf. »Olivia«, sagte sie mit zuckenden Mundwinkeln, »was werden wir jetzt bloß tun?«
»Tun? Es gibt nichts, was wir tun können. Ich werde Daddy bei den Vorbereitungen für die Beerdigung helfen«, sagte ich. Ich erkannte den Klang meiner eigenen Stimme nicht. Es kam mir vor, als spräche ich in einem langen, schmalen Tunnel; meine eigenen Worte hallten in meinen Ohren wider und klangen mechanisch, wie eine Stimme vom Band, eine emotionslose Tonbandaufzeichnung, ähnlich den Stimmen routinierter Telefonvermittlungen, die schriftliche Anweisungen ablesen.
»Und was soll ich tun?«
»Du darfst jetzt unter gar keinen Umständen etwas tun, was ihm noch mehr Kummer bereitet«, erwiderte ich.
»Was tue ich denn? Ich bereite ihm doch gar keinen Kummer!« protestierte sie.
»Ich habe im Moment weder die Kraft noch den Wunsch, die lange Liste von ärgerlichen Dingen durchzugehen, mit denen du ihm Kummer bereitest, Belinda. Mach einfach ein paar Tage lang nichts falsch. Bitte«, fügte ich hinzu und kehrte in mein eigenes Zimmer zurück.
Ich hörte sie wieder weinen. Dann hörte ich, wie Daddy aus seinem Zimmer kam und die Treppe hinunterlief. Ich öffnete meine Tür, um ihm nachzurufen.
»Bist du ganz sicher, daß du mich nicht dabei haben willst Daddy?«
»Was? Ach so.
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