Mysterienkulte der Antike by Hans Kloft;

Mysterienkulte der Antike by Hans Kloft;

Autor:Hans Kloft;
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Weitere Weltreligionen
Herausgeber: Verlag C.H. Beck
veröffentlicht: 2019-01-17T00:00:00+00:00


VI. Mithras

Antike Gottheiten verändern sich im Verlaufe der Geschichte. Ihre ursprüngliche Gestalt und ihre religiöse Botschaft gewinnen durch Wanderungen, andere Verehrerschichten und Verbindungen zu etablierten Gottheiten ein gewandeltes «Outfit», wie man heute sagt. Dabei lassen die Modalitäten der Rezeption ursprüngliche Wesenszüge in aller Regel mehr oder minder deutlich durchscheinen.

Dieser Prozess lässt sich im besonderen Maße bei Mithras und der Entwicklung seines Kultes beobachten, der aus dem iranisch-persischen Kulturraum stammt. Der Name Mithras bringt programmatisch die wichtigste Funktion des Gottes zum Ausdruck: Er symbolisiert den Vertrag. Mithras gilt als Mittler von Übereinkunft, verkörpert jene ethisch-religiöse Kraft, welche die am Vertrag beteiligten Personen zusammenbindet. Zu dieser Funktion der Rechtswahrung tritt eine ebenso wichtige zweite hinzu. Mithras ist göttlicher Träger des Lichtes und der Helligkeit, verwandt und gebunden an Ahura-Mazda («weiser Herr»), den obersten Himmelsgott, der nach der Lehre des iranischen Religionsstifters Zarathustra (griechisch Zoroastres, er lebte wahrscheinlich im 7. Jahrhundert v. Chr.) als oberstes gutes Prinzip die Welt regiert und sich in beständigem Kampfe mit den dunklen, bösen Mächten, verkörpert durch Ahriman, durchsetzen muss. Der Dualismus gehört also zu seinen Wesenselementen. Die kosmische Dimension, die Mithras an den Himmel, die Sonne und das Feuer bindet, besitzt er auch in den indischen Veden (den religiösen Schriften Indiens des frühen Ersten Jahrtausend), wo er als Helfer der Himmelsgöttin Veruna auftritt. Dem Verbinder und Mittler zwischen Hell und Dunkel, zwischen Himmel und Erde, zwischen Gut und Böse sind Symbole und Zeichen zugeordnet, die dieses Spannungsverhältnis optisch sichtbar machen: Das reinigende Feuer, das auf Sonne, Himmel und Helligkeit verweist; der Hahn, der den Morgen und das Licht ankündigt; die Schlange, welche als chthonisches Zeichen die dunkle Erde und das Wasser vertritt. All dies sind bildliche und zugleich sachliche Elemente, die sich bis in die römische Zeit hinein halten.

Das religiöse Substrat, das sich aus der bruchstückhaften altiranischen und altindischen Überlieferung mit einiger Mühe halbwegs stimmig zusammenfügen lässt, erhält im gesellschaftlichen Kontext des Perserreiches besondere Konturen. Hier waren es die altiranischen Männerbünde, die Mithras als Schwur- und Schutzgott für sich in Anspruch nahmen, die ihn als großen Jäger und edlen, hochgesinnten Krieger verehrten, den Gerechtigkeit, Tapferkeit und Edelmut auszeichnen. In dieser Eigenschaft konnte der Gott zum Vorbild der achämenidischen Könige, zum Leitbild des Königstums schlechthin werden. Zur moralischen Dimension trat im iranisch-persischen Bereich die Mittlerfunktion zwischen Herrscher und Kriegerstand. Mithras verband den König mit den Männern, die für ihn kämpften. Sowohl Artaxerxes II. (405–​359 v. Chr.) wie auch sein Nachfolger Artaxerxes III. (359–​338 v. Chr.) ließen ihm offizielle Verehrung zukommen. Dareios III., der glücklose persische Großkönig und Widersacher Alexanders des Großen, betete vor der Entscheidungsschlacht bei Gaugamela 331 v. Chr. zur Sonne, zu Mithras und dem heiligen, immerwährenden Feuer und bat um Tapferkeit und göttliche Inspiration für seine militärischen Führer (Curtius Rufus 4,13,12f.). Die bittere Niederlage tat der Nähe des Schutzgottes Mithras zum König wenig Abbruch. Mithridates VI. von Pontus (120–​63 v. Chr.), der große Gegner Roms, führte wie seine Vorfahren seinen Namen auf Mithras zurück. In seinem kleinasiatischen Herrschaftsbereich dürfte Mithras eine bedeutsame Rolle als «nationales» Bollwerk gegen die römische Okkupation gespielt haben.



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