Ministerium der Träume by Hengameh Yaghoobifarah

Ministerium der Träume by Hengameh Yaghoobifarah

Autor:Hengameh Yaghoobifarah
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau digital
veröffentlicht: 2020-11-15T00:00:00+00:00


Ein tiefer Bass reißt mich aus dem Schlaf. Er dröhnt so stark, dass es sich anfühlt, als würden mein Schädel und meine Innereien gleich explodieren. Ich schiele auf die Uhr und stelle fest, dass schon nachmittags ist. Genervt hämmere ich mit der Faust gegen die Wand. Seit Parvin mit dieser Vivien rumhängt, verhält sie sich wie ein weißer Teenager, der keinen Respekt vor Erwachsenen hat. Wahrscheinlich kann ich von Glück reden, wenn sie nicht anfängt, mit ihren Straßenschuhen ins Bett zu steigen. Ständig muss ich sie bitten, die Musik runterzudrehen. Manchmal hört sie auf mich, wenn sie Besuch hat, aber seltener. Heute reagiert sie auch beim zehnten Klopfen nicht. Nach meiner langen Nachtschicht ist die Auseinandersetzung mit ihr und ihrem Besuch das Letzte, worauf ich gerade Lust habe. Ich stecke mir Ohrstöpsel in die Ohren und ziehe mir die Decke über den Kopf, doch nichts hilft. Schrilles Klingeln kommt aus dem Flur. Ich werfe mir die Kapuzenjacke, die auf dem Sessel liegt, über und gehe zur Wohnungstür. Durch die Wohnung schwebt der erdige Geruch von Gras. Habe ich gestern noch eine Tüte angemacht, frage ich mich und schaue durch den Türspion. Die Nachbarin von unten steht mit säuerlichem Blick auf der Matte. Ich setze mein freundlichstes Gesicht auf und öffne.

»Äh, Entschuldigung, ich versuche gerade meine Kinder zum Mittagsschlaf zu bringen, könnten Sie vielleicht die Musik etwas leiser drehen?« Sie lächelt so angestrengt, dass ihre Lippen komplett aus ihrem Gesicht verschwinden. Ich wimmle sie ab und sage, dass ich mich sofort darum kümmern werde.

Der Grasgeruch verdichtet sich immer weiter. Ich versuche ihm zu folgen und lande vor Parvins Zimmer. Ungeduldig klopfe ich an, doch wieder warte ich vergebens auf irgendeine Reaktion. Nach einer halben Minute sehe ich keinen anderen Ausweg und reiße die Tür einfach auf. Die verrauchte Luft schlägt mir entgegen. So laut, wie die Musik hier drinnen wummert, ist es kein Wunder, dass die beiden keine Geräusche von außen wahrnehmen. Nicht einmal, dass ich im Zimmer stehe, scheint wer mitzukriegen. Unberührt von allem sitzen Parvin und Vivien auf ihrem Bett, wobei Vivien eher liegt, während Parvin ihren Kopf über ein Reagenzglas hält, das sie zu einer Bong umfunktioniert zu haben scheint. Erst als sie mit halb geschlossenen Augen den Kopf hebt, fällt ihr Blick auf mich. »Oh«, lacht sie mit einer leiernden Stimme. »Tante Nas! Ich wusste nicht, dass du zu Hause bist.« Ich starre die beiden entsetzt an, besonders Vivien, die weiterhin unbeeindruckt auf dem Kissen liegt. Entweder sie registriert nicht einmal, dass ich hier bin, oder sie ist so schlecht erzogen, dass sie es nicht für nötig hält, mich zu begrüßen. Ich stapfe zur Lautsprecheranlage und schalte sie aus.

»Ey«, ruft Parvin. »Was soll das? Wir hören grad Musik.« Reflexartig stemme ich meine Hände in die Hüften und stelle mich vor ihr Bett. »Ja, und das ganze Haus hört mit. Die Nachbarin war eben schon hier. Beim nächsten Mal ruft sie bestimmt die Polizei. Fandest du es geil, als sie dich im Karstadt hopsgenommen haben? Und wenn die



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