Mimesis Band 55: Der lyrische Augenblick by Milan Herold und Michael Bernsen

Mimesis Band 55: Der lyrische Augenblick by Milan Herold und Michael Bernsen

Autor:Milan Herold und Michael Bernsen
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2015-06-15T00:00:00+00:00


3

In Bezug auf das Gedicht Chanson d’automne konnte ein Verfahren skizziert werden, bei dem die Versmusik und die sprachliche Nuance als Indikatoren für den sich vollziehenden Umschwung fungieren. Dabei wurde deutlich, dass die augenblickliche Transgression weder auf rein semantischer, noch auf rein klanglicher Ebene dargestellt wird, sondern vielmehr durch das von Valéry als « équilibre admirable et fort délicat entre la force sensuelle et la force intellectuelle du langage »533 bezeichnete komplexe Zusammenspiel aller Gestaltungs-parameter als flüchtige « sensation […] si vague qu’elle n’en est plus sensation, mais caresse indéfinie »534 aufscheint.

Obgleich die im Gedicht dargestellten Übergänge zwischen den teilweise nur kurz aufflammenden und sich sogleich wieder entziehenden Empfindungen eine Diskontinuität implizieren, tritt diese nur sehr schemenhaft zutage, da der Blick konsequent auf dem Gefühlszustand des lyrischen Ichs verharrt und die in den einzelnen Strophen präsentierten Seelenbilder als Nuancen des beständig zwischen verschiedenen Gefühlen oszillierenden « état d’âme » interpretiert werden können. Zum anderen ist evident, dass die Versmusik mit ihrem, bis auf den kurzzeitigen Ausbruch in der zweiten Strophe, gleitenden und sanft wiegenden Rhythmus einen wichtigen Beitrag zur Erzeugung des Eindrucks liedhafter Kohärenz leistet, da sie die unterschwelligen Diskontinuitäten durch gleitende Übergänge überspielt. Diese Beobachtung ist zentral für die Betrachtung des zu den bemerkenswertesten Gedichten Verlaines zählenden « Poème-conversation »535 Sur l’herbe.

SUR L’HERBE

L’abbé divague. – Et toi, marquis,

Tu mets de travers ta perruque.

– Ce vieux vin de Chypre est exquis

Moins, Camargo, que votre nuque.

Ma flamme … – Do, mi, sol, la, si.

L’abbé, ta noirceur se dévoile !

– Que je meure, Mesdames, si

Je ne vous décroche une étoile !

– Je voudrais être petit chien !

– Embrassons nos bergères l’une

Après l’autre. – Messieurs, eh bien ?

– Do, mi, sol. – Hé! bonsoir, la Lune !536



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