Memoiren by Suttner Bertha von

Memoiren by Suttner Bertha von

Autor:Suttner, Bertha von
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T00:00:00+00:00


41. Wassilj Wereschtschagin

Nun will ich von Wassilj Wereschtschagin erzählen. Als ich erfuhr, daß der große russische Künstler, der mit seinem Pinsel denselben Feind bekämpfte, gegen den ich meine Feder wandte, sich in Wien aufhielt, wo er eine Anzahl seiner Bilder ausgestellt, eilte ich nach der Stadt, um die berühmten Bilder zu sehen: – »Bei Schipka alles ruhig«, »Apotheose des Kriegs« und wie alle diese Anklagen hießen. Schon in den Namen, die er seinen Gemälden gab, drückte der Künstler die Bitterkeit aus, die – neben dem Schmerz – seinen Pinsel führte. Der in der Schneeeinöde vergessene Posten, der schon bis zur halben Brusthöhe eingeschneit dasteht – das war's, was Wereschtschagins Geist hinter der bekannten Feldherrendepesche »Vor Schipka alles ruhig« erblickte, und eine Pyramide aus Schädeln, von gierigen Raben umflattert: so malte er die »Apotheose des Kriegs«.

Noch ehe ich dazu kam, in die Ausstellung zu gehen, erhielt ich ein Billett des Künstlers, worin er mich einlud, an einem bestimmten Tage um zehn Uhr vormittags ins Künstlerhaus zu kommen; er wolle dort sein und mir selber die Honneurs der Ausstellung machen. Wir fanden uns pünktlich ein, der Meine und ich. Wereschtschagin empfing uns an der Tür. Mittelgroß, mit einem langen grauen Vollbart, lebhaft, beredt (er sprach Französisch), ein durch Ironie gedämpftes, leidenschaftliches Wesen – –

»Wir sind Kollegen und Kameraden, gnädige Frau,« lautete seine Begrüßung. Und nun führte er uns von Bild zu Bild und erzählte, wie es entstanden und was er sich dabei gedacht. Bei vielen der Bilder konnten wir Ausrufe des Schauderns nicht unterdrücken.

»Sie glauben vielleicht, dies sei übertrieben? – Nein, die Wirklichkeit ist noch viel schrecklicher ... man hat mir sehr oft Vorwürfe gemacht, daß ich den Krieg von der schlechten, abstoßenden Seite dargestellt hätte ... als ob der Krieg zwei Seiten habe – eine angenehme, anziehende und eine andere unschöne, abstoßende – es gibt nur einen Krieg mit nur einem Ziel: der Feind muß möglichst viel dulden, möglichst viel Menschen an Gefallenen, Verwundeten und Gefangenen verlieren, einen Schlag nach dem anderen bekommen, bis er um Schonung bittet.«

Vor dem Bilde »Apotheose des Krieges« machte er uns auf eine Inschrift aufmerksam, die mit kleinen russischen Buchstaben unten am Rande stand:

»Das können Sie nicht lesen, es ist Russisch und heißt: ›Gewidmet den Eroberern der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.‹ Als das Bild in Berlin ausgestellt war, ist Moltke davor gestanden – ich war an seiner Seite – ich habe ihm die Worte übersetzt – die Widmung galt ja auch ihm ...«

Ein anderes Gemälde stellte eine mit dicker Schneeschicht bedeckte Straße vor und hin und wieder hervorragende Hand- oder Fußspitzen. »Was ist das, um Himmels willen!« riefen wir.

»Kein Phantasiebild ... es ist Tatsache, daß im Winter, sowohl im letzten Russisch-Türkischen Krieg, als auch während anderer Winterkampagnen, der Weg, welchen die Regimenter passierten, mit Leichen bedeckt war – wer das nicht gesehen hat, dem fällt es schwer, es zu glauben. Die Kanonen, Artillerie- und andere Wagen drücken die Unglücklichen mit ihren Rädern noch lebend in die Radspuren hinein, worauf die Leichen, damit der Weg nicht verdorben



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