Marion Zimmer Bradley by Die Feuer von Troia

Marion Zimmer Bradley by Die Feuer von Troia

Autor:Die Feuer von Troia
Die sprache: deu
Format: epub, mobi


13

Kassandra hatte geglaubt, wenn sie erst einmal beschlossen habe, nach Kolchis zu reisen, sei alles sehr einfach. Sie müsse nur noch vom Oberpriester und der Oberpriesterin die Erlaubnis dazu erhalten, die Kleider packen, die sie mitnehmen wollte, sich eine oder zwei Begleiterinnen suchen und aufbrechen.

Aber so einfach war es keineswegs. Man erinnerte sie daran, daß sich die Achaier und Troianer offiziell im Kriegszustand befanden, und so mußte man (durch umständliche Botschaften, die von einem Apollon-Tempel zum nächsten geschickt wurden) vorbereiten, daß sie als Frau und geweihte Priesterin, die nichts mit dem Krieg zu tun hatte, unter dem Frieden Apollons reisen durfte. Man gab ihr zu verstehen, daß dies dadurch erschwert wurde, daß sie eine Tochter des Priamos und daher nahe verwandt mit den Hauptbeteiligten in diesem Krieg war. Schon lange ehe das offizielle Geleit und die Genehmigungen erteilt wurden, hatte Kassandra die Lust verloren und wünschte, die Idee zu dieser Reise wäre ihr nie gekommen. Schließlich schwor sie bei jedem Gott, von dem sie jemals gehört hatte (und einigen anderen, von denen sie noch nie etwas gehört hatte) einen heiligen Eid, daß sie für keine der beiden Parteien Botschaften befördern würde, die sich auf den Krieg bezogen; man erklärte sie zur offiziellen Botschafterin Apollons und erlaubte ihr, die Reise nach Belieben zu beginnen.

Khryse hätte sie gern begleitet, und Kassandra empfand Mitleid mit ihm; er betrauerte immer noch das Schicksal seiner Tochter im achaischen Lager, und das Wissen, daß Agamemnon sie zu seiner Geliebten gemacht hatte, tröstete ihn nicht. Khryse schwor Kassandra, er werde ihre Jungfräulichkeit achten, als sei sie seine eigene Tochter. Aber Kassandra traute nicht einmal seinem Schwur und lehnte ihn als Reisebegleiter ab. Er war ein hochgeachteter Priester des Apollon, und es sah einige Zeit so aus, als werde man ihr nicht erlauben, ohne ihn zu reisen. Schließlich wandte sie sich an Charis und erklärte, sie werde innerhalb der Stadtmauern bleiben, bis sie graue Haare bekäme, ehe sie auch nur einen Schritt in Khryses Begleitung mache. Schließlich ließ man diese Forderung fallen.

Dann wollte Priamos Botschaften an viele Freunde auf ihrem Weg schicken, und sie mußte schwören, daß es sich dabei um familiäre oder religiöse Angelegenheiten handelte, die nichts mit dem Krieg zu tun hatten. Kassandra fand das vernünftig, denn oft hatten Reisende den Schutz ausgenutzt, den ihnen die Religion bot, und für die eine oder andere Seite Kundschafterdienste übernommen. Schließlich weigerte sich ihre Mutter, sie ohne ausreichende Aufsicht reisen zu lassen. Und am Ende mußte Kassandra, die am liebsten allein oder nur mit einer Begleiterin - vorzugsweise einer Amazone wie Penthesilea - gereist wäre, sich mit zwei der ältesten und ängstlichsten Kammerfrauen ihrer Mutter, Kara und Adrea, abfinden, und sie mußte versprechen, daß sie unterwegs stets das Bett mit ihnen teilen würde.

Was denkt sich meine Mutter dabei? fragte sich Kassandra. Wenn ich Unzucht treiben wollte, würde ich deshalb bestimmt nicht bis an das Ende der Welt reiten und es nach einem Tag im Sattel auf der harten Erde tun, wenn ich es ebenso leicht in meinem eigenen Bett haben könnte.



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