Madonna. Unterhaltungen mit einer Heiligen by Mundt Theodor

Madonna. Unterhaltungen mit einer Heiligen by Mundt Theodor

Autor:Mundt, Theodor
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


An meine Heilige.

II. Prag.

Katholizismus, Legitimität, Wiedereinsetzung

des Fleisches.

– Unter allen Städten, die ich geschaut, gefällt mir, Libussa, Deine Stadt! Sie gefällt mir, denn sie ist nicht von Menschenhänden gemacht. Sie ist ein Kind der Geschichte. Hier ist lauter Architektur der Geschichte, wohin das ehrfurchtergriffene Auge auch blickt, und bei jedem Schritt, der mich durch die ernste Erhabenheit dieser Straßen und Häuserreihen weiter führt, überrascht mich die Geschichte Böhmens mit großen Erinnerungen. Fast in der Mitte ihres Landes gelegen, steht diese Hauptstadt wie ein Product der Geschichte ihres Volkes da, und einzelne Ereignisse und ganze Perioden der Nation haben sich an diesem und jenem Stadttheil angebaut und festgesiedelt in Stein und Mauer, in Erz und Eisen. Kein Kunstmuseum der Vergangenheit, wie Rom, neigt Prag das ruhig stolze Haupt aller Orten nur über ächt nationales Leben seiner alten Zeit hin, und weist mit einem stumm melancholischen Zug auf die einstige Größe einer mächtig strebenden Bevölkerung zurück. Welch' eine Reihe von hochgebauten Häusern, großartigen Palästen, unzähligen Thürmen und Kirchen, volkbelebten Gassen und Straßen! Welche Märkte und Plätze, mit hohen Bogengängen, kunstgeformten steinernen Brunnen, glänzenden Gewölben und Läden! Und dabei nicht, wie in Berlin und München, den Maurermeister oder Baumeister zu kennen, der dies und jenes Haus gemacht und gezimmert hat, sondern in dem erhebenden Gedanken hinzuschreiten, daß hier die historische Entfaltung eines gesammten Volkes thätig gewesen ist, um ein Ganzes, eine Stadt, eine Stadt im wahrsten und höchsten Sinne des Wortes, hervorzubringen, entstehen zu lassen! Denn eine Stadt ist und muß noch etwas ganz Anderes sein, als bloß eine geordnete Masse von Häusern.

Und doch, bei allem diesem reichen Leben der Stadt, bei allen diesen genußlustigen Gesichtern der Menschen, welche heimliche Trauer weht mich an aus den Straßen von Prag! Ich weiß nicht, bin ich es, der melancholisch ist, oder ist es Prag? Sind es die dunkeln Geister der Vorzeit, welche mit bangem Schritt durch die Gasse wandeln? Sitzt der faule Wenzel noch auf dem Thron, und verbreitet um sich her bleiche Schrecken? Brennen die Hussiten wieder eine katholische Kirche nieder, haben sich neue Kämpfe um Glauben, Recht, Verfassung und Satzung entsponnen? Warum wird es zuweilen auf Einmal so still, so ängstlich, so nachdenklich in Prag? Horch, da klirrt ein Fenster. Es wird doch kein katholischer Reichsrath herausgeworfen werden, wie zu der Hussiten Zeiten! Nein, es ist eine schöne Pragerin, die ihre Blumentöpfe begießt. Schöne, schöne Pragerin, Du machst Deinem Lande, Deinem Volke Ehre! Ein Volk, das so schöne Mädchen hat, kann und darf und wird nie untergehen. Es ist gar nicht möglich.

Doch ehe wir in die Häuser und Stuben hineingehn und mit den Gesichtern Bündnisse und Verträge schließen, laß uns noch einmal die Stadt anschaun, liebe Heilige! Komm, komm, ich weiß, Du ziehst gern in der Welt herum. Nachdem ich Deine Bekenntnisse gelesen, ist meine Sehnsucht zu Dir noch stärker und inniger gewachsen. Ich habe Dich verstanden, und bin Deiner Seele an manchem Kreuzweg begegnet, an dem auch ich stand, und bald gebetet, bald geflucht habe. Du aber hast wie eine weibliche Seele gehandelt und geduldet, und bist dabei schön geblieben.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.