Macht by Dirk Freytag

Macht by Dirk Freytag

Autor:Dirk Freytag
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Allgemeine Buch
veröffentlicht: 2015-09-23T00:00:00+00:00


7 VERHANDLUNGSMACHT

Moskau, 13. September 1955 Zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hält die Sowjetunion noch etwa 10.000 deutsche Kriegsgefangene und eine unbekannte Zahl von Zivilpersonen fest. Die UdSSR ist an der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland interessiert und schlägt Verhandlungen darüber vor. Die Bundesregierung stimmt der Einladung unter einem Vorbehalt zu: Die Wiedervereinigung und die Rückführung der Deutschen in sowjetischem Gewahrsam müssen auch erörtert werden. Am 9. September 1955 reist eine Regierungsdelegation unter Leitung von Bundeskanzler Adenauer nach Moskau, obwohl die Sowjets die deutschen Bedingungen nicht akzeptiert haben. Die Konferenz soll bis zum 13. September dauern.

In der Eröffnungssitzung erklären die Sowjets erneut, ihnen gehe es nur um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Zur Wiedervereinigung wiederholen sie ihre bekannten Thesen. Das Thema Kriegsgefangenen erwähnen sie nicht. Adenauer geht nach dem gleichen Muster vor: Er übergeht die Frage des Austauschs von Botschaftern, drückt seine Hoffnung auf Fortschritte in der Teilungsfrage aus und erklärt deutlich, ohne die Freilassung der letzten Deutschen aus sowjetischer Haft könne es keine Normalisierung zwischen Bonn und Moskau geben.

In den nächsten Tagen ziehen beide Parteien alle Register der Verhandlungskunst. Die Russen verwöhnen die Deutschen mit hochkarätiger Kultur und veranstalten üppige Trinkgelage, gegen deren Folgen sich die deutschen Teilnehmer durch die Einnahme von Olivenöl wappnen. Die persönlichen Beziehungen lockern sich. Doch am Verhandlungstisch beharren beide Parteien auf ihren Standpunkten. Als sich die Verhandlungen festzufahren drohen und die deutsche Delegation schon offen ihre vorzeitige Abreise plant, kommt es überraschend zum Durchbruch: Die Sowjets versprechen für den Austausch von Botschaftern als Gegenleistung die deutschen Gefangenen freizulassen. Der Bundeskanzler hat sich mit seiner wichtigsten Forderung durchgesetzt. Kurze Zeit später kommen die ersten Kriegsgefangenen nach Hause. Adenauer ist der Held – und geht als gefuchster Unter händler in die Geschichtsbücher ein. 70

Diese Schilderung ist noch heute bewegend. So dramatisch können Verhandlungen ablaufen: Festlegung der Verhandlungsziele auf beiden Seiten, Ignorieren der Vorschläge der Gegenseite, Verteidigung der Positionen in der ersten Sitzung, dann hartes Verhandeln, Drohen mit Abbruch, Beiprogramm zur Entspannung, Ausloten von Kompromissmöglichkeiten und schließlich in letzter Minute die Einigung. Kennen Sie aus Ihrem Arbeitsleben auch so spannende Momente am Verhandlungstisch? Verhandlungen sind für Sie ein wichtiges Machtwerkzeug, vor allem, wenn Sie Ihre Organisation als Verhandlungsführer vertreten. Deshalb ist es für Sie wichtig, die Schritte genau zu kennen, die zum erfolgreichen Verhandeln gehören.

„Eine Verhandlung findet immer dann statt, wenn sich zwei (bilaterale Verhandlung) oder mehrere (polylaterale Verhandlung) Parteien begegnen und ihren Interessenskonflikt friedlich lösen.“ 71 Trotz des Wortes „friedlich“ in der Definition sind Verhandlungen kein Schönwettergebiet, sondern ein Ort der Auseinandersetzung, gar ein Kampfplatz mit manchmal lauten Begleiterscheinungen. Denken Sie nur an Lohnverhandlungen, die erst nach einem langen Streik beendet werden. Beschränken Sie sich daher nicht von vornherein in der Wahl Ihrer Mittel. Ihr Gegner tut das auch nicht. Er wird ganz egoistisch für seine Ziele streiten. Daher ist es weder unethisch noch sonstwie verwerflich, wenn auch Sie in einer Verhandlung zunächst nur Ihr Anliegen im Auge haben. Inwieweit man sich dann näher kommt, ist eben „Verhandlungssache“.

Lassen Sie sich aber nicht von der sogenannten Win-Win-Strategie blenden.



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