Love Letters to the Dead by Dellaira Ava

Love Letters to the Dead by Dellaira Ava

Autor:Dellaira, Ava [Dellaira, Ava]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-02-24T05:00:00+00:00


Lieber Kurt,

heute ist einer dieser Tage, an denen sich die Erde flach anfühlt. Der vierte Januar. Ein idealer Tag, um den Weihnachtsbaum zu entsorgen. Wir haben dieses Jahr zu lang damit gewartet, sodass er schon anfing, die Nadeln abzuwerfen, die nicht nur auf dem schneeweißem Laken landeten, auf dem er stand, sondern sich über den ganzen Wohnzimmerteppich verteilten. Selbst in der Küche fanden wir welche. Trotzdem haben weder Dad noch ich es übers Herz gebracht, etwas dagegen zu unternehmen. Aber heute habe ich beschlossen, dass es nicht so weitergehen kann. Dass wir nicht länger Morgen für Morgen an der Küchentheke sitzen und uns über unsere Rice Krispies hinweg anstarren können, ohne dass einer ein Wort über den langsam vor sich hin siechenden Baum sagt und ich nur ab und zu mein Ohr über die Schüssel halte, um wie früher über das leise Knistern der gepufften Reiskörner zu kichern.

Noch im Schlafanzug bin ich ins Wohnzimmer und habe ihn erst abgeschmückt und dann aus seinem Ständer geschraubt. Als Dad aufwachte, hatte ich ihn mir gerade über die Schulter gelegt und schleppte ihn mit rieselnden Nadeln Richtung Tür.

»Was machst du da?«, fragte Dad.

»Den Baum rausbringen.«

»Warte. Ich helfe dir.«

»Nein«, sagte ich und war selbst überrascht, wie gereizt ich klang. »Das schaffe ich schon allein.«

Als ich draußen stand, wusste ich erst nicht, was ich mit dem Baum tun sollte. Schließlich lehnte ich ihn an die Mauer und ging in den Schuppen, um unsere Säge zu holen. Dann legte ich ihn in der Einfahrt ab und zersägte ihn in lauter kleine Stücke. Dabei roch es so überwältigend nach Tanne, als würde das Herz des Baums ausbluten. Ich schichtete seine abgesägten Gliedmaßen neben der Mülltonne zu einem Haufen auf.

Zurück im Haus saugte Dad gerade die letzten Nadeln weg. Das Dröhnen des Staubsaugers übertönte das Knurren meines Magens, als ich an ihm vorbei in die Küche ging, um mir Rice Krispies zu machen.

Kurz darauf kam Dad, nahm mir die Schachtel aus der Hand und schüttete sich selbst auch welche in eine Schüssel. Er war schon fix und fertig für die Arbeit angezogen. »Was hast du für den letzten Ferientag geplant?«, fragte er und sah mich gespannt an.

»Ach, nichts Besonderes. Bloß im Schlafanzug rumhängen und Fernsehen schauen.« Ich lächelte schwach.

»Was ist eigentlich mit deinem Freund?«, fragte er. »Willst du ihn nicht auch mal bei Tageslicht hierher mitbringen?«

»Mhm-mhm«, machte ich und alles in mir zog sich zusammen. Ich wollte Dad nicht die Wahrheit sagen. Sky hat seit fünf Tagen nicht zurückgerufen.

Als ich nach dem Löffel griff, um ein paar Krispies herunterzuwürgen, sah ich sie. In meiner Milch schwamm eine der kleinen Plastikspinnen, die ich Dad zu Weihnachten geschenkt habe. Er muss sie in die Schachtel geschmuggelt haben. Ich zwang mich dazu, zu lachen, und schaute ihn dann gespielt vorwurfsvoll an. Er grinste, und ihm war anzusehen, wie sehr er gehofft hatte, mir damit eine Freude zu machen. »Reingefallen«, sagte er.

Als er weg war, legte ich In Utero auf, rollte mich im Bett zusammen, hörte zum wahrscheinlich tausendsten Mal »Heart-Shaped Box« und fühlte mich schrecklich.



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