Lebensraum Universum by Aleksandar Janjic

Lebensraum Universum by Aleksandar Janjic

Autor:Aleksandar Janjic
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg


Mikrobielle Wiedergeburt – wieso kämpfen, wenn man schlafen kann?

Viele Bakterienarten haben im Laufe der Evolution Strategien entwickelt, um ihren Stoffwechsel an extreme Umweltbedingungen anzupassen und vorteilhafte physiologische Adaptionen zu entwickeln. „Das wohl selbstgenügsamste Geschöpf der Erde ist im Jahr 2008 knapp drei Kilometer unter der Erde im Minenwasser eines südafrikanischen Bergwerks gefunden worden … “, schrieb der Parasitologe und Wissenschaftsjournalist Jan Osterkamp diesbezüglich im Oktober 2016 und meinte das extremophile Bakterium Desulforudis audaxiviator [33]. „Es überlebt dort völlig autark als einziges Lebewesen bei Temperaturen von 60 Grad Celsius und deutlich basischen pH-Werten mit der einzigen Energiequelle der sonnenlosen Tiefe, radioaktiver Strahlung“. Die Temperaturangabe ist hierbei nicht wirklich beeindruckend – auf vielen heißen Flecken in Ozeanen und Gewässern leben Archaeen (Urbakterien), die sogar nur dann wachsen können, wenn es heißer ist als 80 Grad Celsius (hyperthermophil). Aber dass ein Organismus direkt von der Energie der von uns ausschließlich negativ angesehenen radioaktiven Strahlung lebt, übertrifft die skurrilen Vorstellungen vieler Science-Fiction-Autoren wieder mal bei Weitem. Der Anlass seines Artikels war, dass der Astrophysiker Dimitra Atri zuvor zeigen konnte, dass eine solche kuriose Lebensweise theoretisch ebenfalls auf Gesteinsbrocken wie Asteroiden und Kometen infrage kommt – der primäre Energielieferant wäre hier aber nicht die Radioaktivität, sondern eben die kosmische Strahlung, welche durch die resultierenden photochemischen Reaktionen auf diesen Himmelskörpern ausreichend verwertbare Substanzen erzeugen könnte [34].

Ein anderer Lebenskünstler der Erde sucht ebenfalls seinesgleichen. Die besondere Eigenschaft dieses Organismus ist sogar so eindrucksvoll, dass sie den wissenschaftlichen Namen der Spezies bestimmt: Deinococcus radiodurans. Dieses Bakterium verkörpert mit den Cyanobakterien der Gattung Chroococcidiopsis die absolute Spitze der Widerstandsfähigkeit lebender Wesen, und sie sind, man kann es nicht anders sagen, extreme extremophile Organismen (polyextremophil). So ist es auch nicht verwunderlich, dass sie enorm tolerante Generalisten sind – dieser ökologische Begriff wird Arten zugeteilt, die ubiquitär auftreten, also eigentlich überall auf der Erde zu finden sind und alle möglichen natürlichen und auch künstlichen Bedingungen tolerieren können, sei es die Kälte im antarktischen Eis oder die Strahlung im radioaktiven Kühlwasser von Kernkraftwerken (radiodurans bedeutet letztlich so viel wie „langlebig unter Strahlung“). Da Deinococcus radiodurans kurzzeitige Dosierungen von bis zu 17.500 Gy (Gy = Gray, Maß für ionisierende Strahlung) aushalten kann [35], sind diese Bakterien prinzipiell optimale Kandidaten zur Etablierung eines Sukzessionsstadiums durch initiale Besiedelung unbelebter Himmelskörper (Menschen sterben übrigens ohne Ausnahme ab 7 Gy, eine dauerhafte Bestrahlung von 5 Gray würde 50 Prozent der Weltbevölkerung innerhalb eines Monats töten [36]). Zwar besitzt das Bakterium auch eine relativ stark vernetzte Zellwand, die es mit Sicherheit vor gewissen Strahlenmengen abzuschirmen vermag, aber es ist vor allem die besonders faszinierende Fähigkeit dieser Lebensform, geschädigte DNA nahezu sofort zu reparieren – diese Instandhaltung ist bei diesem Organismus sogar so effizient, dass komplette Doppelstrangbrüche der DNA kein Problem darstellen und auch ganze Chromosomen mitsamt ihrer Funktionen aus völlig fragmentierten Bestandteilen rekonstruiert werden können [37]. Zudem scheint die toroidale Form (eine in sich geschlossene Ring-Struktur, die letztlich aussieht wie ein mikroskopischer Donut) und die stark geordnete Strukturierung der DNA im Zellkern eine elementare Rolle für die besonderen Fähigkeiten dieser Spezies zu spielen.



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