Kultursemiotik digitaler Bildzeichen der tunesischen Revolution by Julius Erdmann

Kultursemiotik digitaler Bildzeichen der tunesischen Revolution by Julius Erdmann

Autor:Julius Erdmann
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: De Gruyter
veröffentlicht: 2021-04-19T19:21:16.647000+00:00


3.2

Ikonische Fotografien des Protests

Mit der starken Verbreitung der Protestbewegungen, die letztendlich in mehreren zehntausend Demonstranten und einer landesweiten Ausstrahlung der Demonstrationen zwischen dem 11. und 14. Januar 2011 resultierte, erlangten Fotografien der Demonstrationsereignisse eine erhöhte Relevanz in den Massenmedien und in bildbasierten Social-Media-Anwendungen. Es wurden damit zunehmend Bilder verbreitet, die die Proteste selbst, deren Akteure und Symboliken in den Vordergrund rückten. Im Folgenden sollen unterschiedliche kommunikative und symbolische Funktionen dieser Fotografien herausgestellt werden.

Eine erste Unterscheidung muss hinsichtlich der ästhetischen Qualität der ersten Protestfotografien von Anfang 2011 getroffen werden. Es stehen zu diesem Zeitpunkt professionelle Fotografien, die sich massenhaft in den tunesischen Netzwerken verbreiteten, den semi-journalistischen Fotografien von tunesischen Bürgerjournalisten, Hobbyfotografen und Aktivisten sowie individuellen Demonstranten gegenüber. Es zeigt sich bei einer näheren Betrachtung, dass sich die Grade der ästhetischen Qualität und der damit verbundenen Repräsentationsoptionen auf die mit den Bildern verbundenen kommunikativen, symbolischen und kulturellen Funktionen auswirken.

Die professionellen Fotografien erhielten durch vorhandene Symbole, die dargestellten Handlungen oder Akteure eine politisch widerständige Konnotation. Sie verbreiteten sich ab Ende Dezember 2010 und bis Mitte Januar 2011 rasant durch individuell bzw. in Gruppen oder auf Facebook-Seiten veröffentlichte Bildzeichen. Die Bilder fokussierten (optisch) einen herausstechenden Protagonisten bei der Repräsentation des Protests. Die so erfolgte scheinbare Isolation einer Person aus der Menge ermöglicht es, ihr visuell repräsentierte Attribute zuzuweisen. So werden Gesichtsausdruck und Körperhaltung fixiert, vorhandene Artefakte in den Vordergrund gestellt, und es kommt zu einer narrativen Interaktion zwischen einem imaginierten Protagonisten und dem momentanen Hintergrund (der Masse der Protestierenden, dem Ort des Ereignisses, dem historischen Moment). Dies kann nachvollzogen werden anhand der prominenten Fotografie eines jungen Mannes, welcher, auf Schultern einer weiteren Person getragen, optisch aus der Menge der Demonstrierenden vor dem Innenministerium am 14. Januar in Tunis hervorsticht (vgl. Abbildung 11).89



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.