Kochen by Pollan Michael

Kochen by Pollan Michael

Autor:Pollan, Michael
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783888979897
Herausgeber: Verlag Antje Kunstmann


Chad Robertson wirkt weniger wie ein Bäcker, vielmehr wie der Surfer, der er ja auch ist. Er hat den langen, schlanken Oberkörper eines Schwimmers und eine gewisse Geschmeidigkeit in den Bewegungen. Gleichzeitig geizt er mit Worten, Gesten und seinem Lächeln. Bei meinem ersten Besuch in der Bäckerei schaute ich ihm eine Stunde lang dabei zu, wie er Bâtards – große Baguettes – formte. Er trug eine fest um die Taille gebundene weiße Schürze, und auf seinem brünetten Haar saß ein Gesichtsschirm, der seine braunen Augen schützte. Der Vorgang ist verblüffend mit anzusehen, aber unmöglich zu verfolgen, also in abgegrenzte, nachvollziehbare und nachahmbare Einzelschritte zu zerlegen. Ich sah nur Finger wirbeln, die aussahen, als wickelten sie in Warpgeschwindigkeit eine endlose Reihe Babys.

Während Chad Laibe formte, unterhielten wir uns. Ich fragte ihn nach seinem Vorteig, um ein paar Tipps zur Pflege und zur Ernährung zu bekommen. In der heimlichen Hoffnung, ein paar gute Mikroben einzufangen, hatte ich vorsorglich meinen eigenen in einem Plastikbehälter mitgebracht. Von denen musste es in seiner Backstube schließlich nur so wimmeln.

»Am Anfang war ich, was meinen Vorteig anging, abergläubisch«, erzählte mir Chad, während er zügig Teigstücke schnitt und abwog. »Ich schleppte ihn immer mit in Urlaub, weil ich keinem über den Weg traute. Einmal nahm ich ihn sogar ins Kino mit, damit ich ihn genau zum richtigen Zeitpunkt füttern konnte. Aber nachdem ich diese Kultur eingebüßt hatte und ein paar Mal wieder von vorn anfangen musste, gehe ich es heute entspannter an. Inzwischen glaube ich, dass es weniger um Natur als um Pflege geht.« Grob gesprochen, heißt dies, dass die erforderlichen Keime überall unterwegs sind, aber vom Bäcker ausgewählt und dazu erzogen werden können, zu tun, was er von ihnen will.

Chad führte mir seine Kultur vor. Von einem hohen, warmen Regal holte er eine Metallschüssel herunter, in der eine belebte weiße Suppe schwappte. Sie war dünner und wärmer als meine eigene Kultur und roch weniger sauer. Chad erzählte mir die Geschichte, wie sein Lehrmädchen eines Abends nach seiner Schicht die Backstube sauber gemacht und die Schale mit dem Starter versehentlich weggeschüttet hatte.

»Ich habe geheult und dachte, ich wäre als Bäcker erledigt. Aber dann stellte ich fest, dass meine neu angelegte Kultur nach ein paar Tagen genauso roch wie die alte.« Chad beurteilt einen Vorteig nach dem Aroma, das seiner Ansicht nach eher fruchtig als nach Essig riechen sollte. Tatsächlich mag er es nicht, wenn sein Sauerteig besonders sauer ausfällt: »Das ist leicht zu erreichen: Man muss den Vorteig nur einfach seltener füttern. Aber dann wird das Aroma eindimensional.« Chad geht davon aus, dass die »richtigen« Hefepilze und Bakterien in seiner Bäckerei inzwischen überall herumschwirren und leicht einzufangen sind. Kürzlich hat er allerdings auch Erfahrungen mit neuen Kulturen gesammelt, die er bei Aufenthalten in Mexiko und Frankreich angelegt hatte. Diese rochen und verhielten sich ziemlich ähnlich wie die in San Francisco. Daraus zog er den Schluss, dass der Fütterungsplan und die Umgebungstemperatur die wichtigsten Faktoren sind, die den Charakter einer Sauerteigkultur bestimmen. Möglich ist allerdings auch, dass Chad Robertson die besten Keime inzwischen am Körper mit sich herumträgt.



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