Jenseits von Mitternacht by Sidney Sheldon

Jenseits von Mitternacht by Sidney Sheldon

Autor:Sidney Sheldon [Sheldon, Sidney]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-07-23T00:00:00+00:00


Noelle

Paris 1944

Seit einem Jahr hatte Armand Gautier das Heiratsthema nicht mehr angeschnitten. Anfangs hatte er sich Noelle gegenüber in einer überlegenen Position gefühlt. Jetzt aber war die Lage fast umgekehrt. Wenn sie Zeitungsinterviews gaben, war es Noelle, an die man die Fragen richtete, und wohin immer sie gingen, war Noelle die Attraktion, er kam an zweiter Stelle.

Noelle war die perfekte Geliebte. Sie sorgte weiterhin für Gautiers Bequemlichkeit, fungierte als Gastgeberin und machte ihn in der Tat zu einem der am meisten beneideten Männer Frankreichs; aber in Wirklichkeit hatte er keinen Augenblick Frieden, denn er wußte, daß er Noelle nicht besaß, noch jemals besitzen würde, und eines Tages würde sie aus seinem Leben verschwinden auf genau die gleiche kapriziöse Art, wie sie hineingeschlendert war. Und wenn sich Gautier daran erinnerte, wie es jenes eine Mal war, als Noelle ihn verlassen hatte, fühlte er sich elend bis ins Mark. Gegen jede Vernunft, gegen seine Erfahrung und Frauenkenntnis war er wahnsinnig in Noelle verliebt. Sie war die einzige, die wichtigste Realität in seinem Leben. Oft lag er nachts wach und dachte sich raffinierte Überraschungen aus, um sie glücklich zu machen; wenn sie gelangen, wurde er mit einem Lächeln oder einem Kuß belohnt oder gar mit einer Liebesnacht beschenkt. Jedes Mal, wenn sie einen anderen Mann ansah, überkam Gautier Eifersucht, aber er war klug genug, es Noelle nicht merken zu lassen. Einmal, nach einer Gesellschaft, als sie sich den ganzen Abend mit einem berühmten Arzt unterhalten hatte, war Gautier wütend auf sie gewesen. Noelle hörte sich seine Tiraden an und antwortete dann ruhig: »Wenn du etwas dagegen hast, Armand, daß ich mich mit anderen Männern unterhalte, kann ich ja heute Abend meine Sachen packen.«

Er berührte nie mehr dieses Thema.

Anfang Februar begann Noelle, ihren Salon einzurichten. Es hatte als einfaches Sonntags-Dinner mit ein paar Freunden aus dem Theater angefangen, aber es sprach sich herum, und der Kreis erweiterte sich schnell und Schloß bald Politiker, Wissenschaftler und Schriftsteller ein – wen immer die Gruppe für amüsant oder interessant hielt. Noelle war die ungekrönte Herrscherin des Salons und eine seiner Hauptanziehungspunkte. Jedermann war begierig, sich mit ihr zu unterhalten, denn Noelle stellte scharfsinnige Fragen und hatte ein gutes Gedächtnis für die Antworten. Sie lernte Politik von den Politikern und Finanz von den Bankiers. Ein führender Kunstexperte brachte ihr einiges über bildende Kunst bei, und bald kannte sie alle großen französischen Künstler. Sie erfuhr alles Wissenswerte über Wein vom Oberkellermeister des Barons Rothschild und über Architektur von Le Corbusier. Noelle hatte die besten Hauslehrer der Welt, und diese wiederum hatten eine schöne und faszinierende Schülerin. Sie hatte eine schnelle, gründliche Auffassungsgabe und war eine intelligente Zuhörerin.

Armand Gautier hatte das Gefühl, eine Prinzessin im Umgang mit ihren Ministern vor sich zu sehen, und hätte er sich das völlig klargemacht, wäre er damit Noelles wahrem Charakter am nächsten gekommen.

Mit der Zeit begann sich Gautier ein wenig sicherer zu fühlen. Es schien ihm, daß Noelle alle, die ihm gefährlich werden könnten, kennen gelernt hatte, und sie hatte für keinen von ihnen Interesse gezeigt.



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