Internatsnovelle by Jan Tilmann

Internatsnovelle by Jan Tilmann

Autor:Jan Tilmann
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: gay, schwul, Boys, Jungs, Internat
Herausgeber: Bruno Gmünder
veröffentlicht: 2014-11-15T00:00:00+00:00


Janine

Die nächste Woche brachte Meiky und mir gleich zwei Klausuren. Meiky traf es in Latein und Bio, mich in Mathe und Deutsch. Vor lauter Büffelei kamen wir kaum zur Ruhe. Doch wir paukten immer gemeinsam und lockerten das Pensum durch Küsse auf. Als wir am Donnerstag alle Arbeiten hinter uns hatten, wollten wir uns eine kleine Belohnung gönnen.

'Du, Timo, hast du Lust, mal nach Neustadt zu düsen? Ich habe schon seit Wochen keinen Urlaub mehr beantragt.'

'Gute Idee, ich bin dabei. Wie wär’s mit Samstag, da könnten wir ein bisschen durch die Kaufhäuser ziehen.'

'Ich bin ziemlich knapp bei Kasse', druckste Meiky rum.

'Kein Problem. Reichen 30?'

'Ich weiß nicht, ob ich das annehmen kann. Also diesen Monat schicken mir meine Alten keine Kohle mehr.'

'Das ist doch egal. Mir bleiben dann immer noch 70 Euro.'

Meiky steckte die 30 Euro ein und bedankte sich leicht verlegen. Und ich war glücklich, dass ich ihm aus der Patsche helfen konnte.

'Alter, das brauchst du nicht zurückzuzahlen, schließlich leihst du mir ständig deine Tennisklamotten. Wir sind quitt, verstanden?'

Samstags hockten wir beim Mittagessen und warteten gespannt auf unsere Urlaubsscheine. Wenn irgendein Lehrer Widerspruch einlegte, war es nämlich Essig damit. Endlich schaltete der Boss knacksend sein Mikro ein: 'Ich habe hier Urlaubsscheine für Martin Wernecke, Hendrik Malze, Frank Dahlheim, Lars Schütze, Timo Herzog und Michael Kerner. Pakete sind leider nicht eingetroffen. Mahlzeit und ein schönes Wochenende!'

Wir nahmen unsere Scheine entgegen. Eine halbe Stunde später brachte uns der 14-Uhr-Zug nach Neustadt. Wir schlenderten durch die Fußgängerzone, genossen den Miniurlaub. Endlich sahen wir mal wieder andere Gesichter und fühlten uns nicht permanent kontrolliert. Ich musste an die Schulzeit in Hannover denken. Jeden Nachmittag konnte ich da tun und lassen, was ich wollte. Mom und Dad waren tagsüber in der Klinik. Dass ich mich an dieses abgeschottete Internat gewöhnt hatte, wunderte mich. Ohne Meiky wäre das sicher nicht so glatt gelaufen.

Als wir die Auslagen bei einem Juwelier betrachteten, meinte Meiky nachdenklich: 'Ich möchte dir gern was schenken.'

'Und was?'

'Einen Ohrring.'

'Ich weiß nicht, ob mir so was steht', versuchte ich ihn abzulenken.

'Klar würde dir ein Ohrring stehen. Du hast ein hübsches Gesicht, aber mit Ohrring würde es noch hübscher', frotzelte er.

'Ich mache nur mit, wenn du dir auch einen Ohrring zulegst', entschied ich schließlich. Eigentlich fand ich das ein wenig feminin, doch wenn wir uns gegenseitig Ringe schenkten, hatte das ja eine tiefere Bedeutung. Das war auch Meiky sofort klar.

'Okay, ich bin dabei!', meinte er lächelnd. 'Lass uns reingehen.'

Die junge Verkäuferin schaute zu, als wir die Ohrringe in Augenschein nahmen. Wir entschieden uns für einfache Goldringe, so groß wie eine Zwei-Cent-Münze. Als ich mit noch vereisten Ohrläppchen aus der kleinen Kabine kam, bewunderte Meiky mich und meinen Ohrring, als käme ich von einem anderen Stern.

'Sieht echt super aus!', kommentierte er ganz aufgedreht.

Dann verschwand er in der kleinen Kabine und kehrte kurz darauf etwas unsicher zurück. 'Steht er mir auch?'

'Ja, der passt echt zu dir!' Ich übertrieb wirklich nicht. Mit Ohrring sah Meiky zum Anbeißen aus, so richtig lecker. Ich zahlte seinen Ring, er den meinen. Die Verkäuferin dachte wohl, wir tickten nicht richtig.



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