Heyne Galaxy 11 by Ernsting Walter (Hrsg.)

Heyne Galaxy 11 by Ernsting Walter (Hrsg.)

Autor:Ernsting, Walter (Hrsg.) [Ernsting, Walter (Hrsg.)]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne SF
veröffentlicht: 2013-04-14T16:00:00+00:00


Rakete ins Himmelreich

(A Little Journey)

Ray Bradbury

Zwei Dinge waren wichtig – daß sie sehr alt war und daß Mr. Thirkell ihr versprochen hatte, sie zu Gott zu bringen. Denn hatte er ihr nicht die Hand getätschelt und gesagt: »Mrs. Bellowes, wir werden in meiner Rakete in den Weltraum fliegen und Ihm begegnen?«

Ja, und so sollte es geschehen.

Die Gemeinschaft, der sich Mrs. Bellowes zu diesem Zweck anschloß, hatte wenig mit den zahlreichen anderen Gruppen gemein, deren Mitglied sie bisher gewesen war. In ihrem Bestreben, den rechten Pfad für ihre zierlichen und unsicheren Füße zu finden, hatte sie sich manche dunkle Straße zu erschließen versucht. Sie hatte Zugang gefunden zu den Lehren der Hindu-Mystiker, deren Kristallkugeln die seltsamsten Dinge widerspiegelten; sie hatte mit asketischen Philosophen diskutiert, die auf Einladung gleichgesinnter älterer Damen aus Indien gekommen waren; sie hatte Pilgerfahrten nach Kalifornien unternommen, um dort den größten aller Hellseher in seiner heimischen Umgebung aufzusuchen. Sie hatte sogar eines ihrer Häuser verkauft, um Zugang zu einem Tempel zu erhalten, dessen Evangelisten ihr goldenes Kristallfeuer versprochen hatte und die goldene, sanfte Hand Gottes, die sich ihrer annehmen würde.

Was ihr auf dieser Suche auch widerfahren war, nichts hatte ihren Glauben erschüttern können – nicht einmal die Tatsache, daß die Objekte ihrer Anbetung zuweilen nachts in schwarzen Automobilen davongefahren oder in den Zeitungen mit entstellenden Berichten bedacht wurden. Es war eben eine böse Welt, die vorzugsweise jene benachteiligte, die zu viel von ihr wußten.

Und dann war sie vor genau zwei Wochen in New York auf Mr. Thirkells Anzeige gestoßen: »Kommen Sie auf den Mars!«

Leisten Sie sich einen Aufenthalt in Thirkells Erholungsheim! Gönnen Sie sich das größte Weltraumabenteuer, das das Leben zu bieten hat! Fragen Sie nach der kostenlosen Broschüre ›Näher, mein Gott, zu Dir!‹ Ausflugspreise; Rückfahrkarte besonders preisgünstig!«

Rückfahrkarte, hatte Mrs. Bellowes gedacht. Wer wird schon zurückkehren wollen, wenn er Gott gesehen hat?

Also hatte sie einen Platz für sich gebucht und sieben angenehme Tage in Mr. Thirkells Erholungsheim auf dem Mars verbracht – einem Gebäude, das von einer riesigen Leuchttafel gekrönt wurde: »THIRKELLS RAKETE INS HIMMELREICH!« Und nachdem sie sieben Tage lang in klarem Wasser gebadet und sonst nicht viel zu tun gehabt hatte, war sie jetzt bereit, sich in Mr. Thirkells Privatrakete zu begeben und sich in die Unendlichkeit hinausschießen zu lassen – in den Weltraum jenseits von Jupiter und Saturn und Pluto. Und wer konnte bestreiten, daß sie dem Herrn auf diese Weise näher kam? Allein der Gedanke war wunderbar! Spürte sie nicht schon, wie Er sich ihr auftat; spürte sie seinem Atem noch nicht, seine Allgegenwart?

»Hier bin ich«, sagte Mrs. Bellowes leise. »Ich bin ein alter, klappriger Lift, der seine letzte Fahrt machen will. Gott braucht nur auf den richtigen Knopf zu drücken.«

Am siebenten Tag jedoch begannen sich bei ihr die ersten Zweifel zu regen.

»Es ist ganz klar!« sagte sie energisch. »Milch und Honig fließen hier auf dem Mars nicht ganz so reichlich, wie man uns weismachen wollte. Außerdem ist mein Zimmer eine häßliche Zelle, und das Schwimmbecken ist auch nicht sehr schön – abgesehen davon, daß man von uns alten Witwen keine große Schwimmleidenschaft erwarten darf.



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