Giftiges Erbe (German Edition) by Trojahn Simone

Autor:Trojahn, Simone [Trojahn, Simone]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Redrum Books
veröffentlicht: 2020-02-13T00:00:00+00:00

***

Es war ein Gefühl, das sich nur schwer beschreiben ließ. Ein bisschen wie Fliegen und ein bisschen wie Sterben. Dabei hatte Finn keine Ahnung, wie sich das anfühlte. Er war jung und gesund und hatte das Leben noch vor sich. Die Zukunft des alten Mannes, der seinen Penis rieb, sah weniger rosig aus. Er stand quasi mit einem Bein im Grab und würde schon bald Futter für die Würmer sein. So oder so. Nicht, dass Berner sich derzeit darum zu kümmern schien. Der alte Furz war in diesem Moment wahrscheinlich so sorgenfrei wie schon lange nicht mehr. Er hatte die faltigen Lippen zu einem grotesken Kussmund geformt, seine Augenlider flatterten. In all den langen Jahren seines mehr oder weniger erfüllten Lebens hatte er nicht verlernt, wie man einen Schwanz wichste, das musste man ihm lassen.

Finn hatte dem Alten erlaubt, ihm das Glied aus der Hose zu ziehen. Nun zwang er sich, ruhig zu atmen und das Keuchen zu unterdrücken, das in seiner Kehle steckte. In dieser groteskesten Situation seines bisherigen Lebens musste er immer wieder an die harten Dielen unter seinen Knien denken. Wem gehörten diese verdammten Hosenbeine? Und wieso stanken diese Erinnerung nach Old Spice?

Warum lässt du ihn das tun? Das war nicht der Plan!

Richtig. Der Plan war gewesen, ein bisschen mit Herrn Berner zu plaudern und den alten Knacker ein letztes Mal in seinen Erinnerungen schwelgen zu lassen, bevor sich der Vorhang für ihn zum letzten Mal schloss. Doch jetzt schwelgte der Greis höchstens in seiner Erregung …

Das gefällt dir doch nicht wirklich, oder?

Finns steinharter pochender Penis war wohl Antwort genug. Aber das konnte nicht wahr sein! Außerdem hatte das hier nichts mit echter Lust zu tun. Es war nur eine seltsame Mischung aus körperlichen Reaktionen und falschen Erinnerungen.

Und wo kommen diese verdammten Erinnerungen her?

Finn musste sich zusammenreißen. Wenn er sich nicht auf das Wesentliche konzentrierte, könnte ihm hier und jetzt ein Fehler unterlaufen, den er für den Rest seines Lebens bereuen würde. Für den Moment reichte es wohl, wenn es ihm gelang, seine Emotionen unter Kontrolle zu behalten, die zwischen Abscheu und Erregung schwankten. Er ließ die Augen geschlossen, um sich den erbärmlichen Anblick des alten Mannes zu ersparen. Was er fühlte, hätte alles Mögliche sein können. Die Berührung einer Frau oder eines Monsters. Am Ende musste er feststellen, dass es keine große Rolle spielte, was erschreckend war.

Dieses ganze verdammte Leben war erschreckend.

Finn hätte nicht gedacht, dass Erinnerungen so wehtun konnten. Es war schwer, eine solche Welt zu verstehen. Das Einzige, was einem blieb, war, das Beste aus jedem Moment zu machen. So lange, bis das Licht der Dunkelheit wich. Manchmal passierte das spät – manchmal viel zu früh. Niemand wusste, wann er an der Reihe war. Sogar mit fast neunzig Jahren blieb die Sache spannend. Es könnte heute passieren oder morgen oder in zwei Jahren.

Oder jetzt!

Finn spritzte ab, was ebenso abscheulich wie faszinierend war. Er riss die Augen auf und sah seinen Saft auf der runzligen Hand des alten Mannes. Das war zu viel! Finns Magen zog sich zusammen und er würgte trocken, während er gleichzeitig nach hinten stolperte.

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