Geschichten aus dem Ringwelt-Universum by Larry Niven

Geschichten aus dem Ringwelt-Universum by Larry Niven

Autor:Larry Niven [Niven, Larry]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Science Fiction
Herausgeber: BASTEI LÜBBE
veröffentlicht: 2011-12-02T23:00:00+00:00


Der Mantel der Anarchie

Mitten auf dem ehemaligen San Diego Freeway lehnte ich mich gegen eine riesige, knorrige Eiche. Die alte Rinde war rauh und pulverig gegen meinen bloßen Rücken. Dunkelgrüner Schatten wurde von schmalen parallelen Strahlen aus weißem Gold durchzogen. Langes Gras kitzelte meine Beine.

Vor mir lag eine weite Grasfläche, und dahinter, in etwa vierzig Meter Entfernung, stand eine Gruppe von Ulmen, und vor den Ulmen saß ein kleines Großmütterchen auf einer grünen Decke. Sie sah aus, als sei sie dort gewachsen. Sie hielt einen Grashalm zwischen den Zähnen. Ich spürte in ihr eine verwandte Seele, und einmal, als unsere Blicke sich trafen, winkte ich ihr mit dem Zeigefinger zu, und sie winkte zurück.

In einer Minute würde ich jetzt aufstehen müssen. Jill wollte mich in einer halben Stunde am Wiltshire-Ausgang treffen. Aber ich hatte meinem Spaziergang am Sunset-Boulevard-Zubringer begonnen, und ich war müde. Noch eine Minute…

Es war ein guter Ort, um zuzusehen, wie die Welt sich drehte.

Und auch ein guter Tag. Überhaupt keine Wolken. An diesem heißen, blauen Sommernachmittag war der King’s Freipark so belebt wie selten.

Irgend jemand im Polizeihauptquartier hatte damit gerechnet. Doppelt so viele Monitore wie gewöhnlich hingen am Himmel und warteten. Goldene Kugeln auf blauem Grund, so groß wie Basketbälle, dreieinhalb Meter hoch. Jede von ihnen mit einem Fernsehauge und einem Paralysator ausgestattet, jede von ihnen direkt mit dem Polizeihauptquartier verbunden, waren sie da, um dem Gesetz des Parks Geltung zu verschaffen:

Keine Gewalt.

Keine Hand durfte gegen einen anderen erhoben werden – und sonst gab es keine Gesetze. Das Leben in einem Freipark war oft recht unterhaltsam.

Im Norden, auf Sunset zu, ging ein Mann mit einem weißen, rechteckigen Schild, das auf beiden Seiten leer war. Er marschierte vor einem verbissenen jungen Mann auf einem Plastikbehälter hin und her, der ihm einen Vortrag über Kernverschmelzung und die Probleme der Abwärmebelastung hielt. Selbst auf die Entfernung konnte ich die Überzeugung und den Eifer in seiner Stimme hören.

Im Süden warf eine Handvoll von wild schreienden Typen mit Steinen nach einem Monitor. Der goldene Basketball wich den Steinen aus, allerdings immer nur knapp. Irgendein schwarzhaariger Fanatiker schien sie dazu angestiftet zu haben. Ich fragte mich, woher sie wohl die Steine hatten. Steine waren selten im King’s Freipark.

Der schwarzhaarige Mann kam mir irgendwie bekannt vor. Ich sah zu, wie er und seine Horde das Wachauge hetzten… dann vergaß ich sie, weil ein Mädchen aus einer Ulmengruppe geschritten kam.

Sie war phantastisch. Lange, vollkommene Beine, dunkelrotes Haar, das ihr über die Schultern fiel, das Gesicht eines unnahbaren Engels und ein Körper so perfekt, daß er unwirklich erschien, wie der Traum eines Jünglings. Ihr Gang verriet Übung; vielleicht war sie ein Mannequin oder eine Tänzerin. Ihr einziges Kleidungsstück war ein wehender Mantel aus leuchtendblauem Taft.

Er war fünfzehn Meter lang, dieser Mantel. Er hing an zwei großen goldenen Scheiben, die irgendwie an ihren nackten Schultern befestigt waren. Er zog sich lang und länger bis zu seiner Gänze in etwa anderthalb Meter Höhe hinter ihr her und drehte und wand sich, um ihrem Pfad durch die Bäume zu folgen.



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