Fluchtversuch by Anthologie

Fluchtversuch by Anthologie

Autor:Anthologie [Anthologie - Fluchtversuch]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: SF, DDR, SU
veröffentlicht: 2016-07-30T16:00:00+00:00


6

„Anton!“ sagte Saul. „Er ist in Ohnmacht gefallen. Sehen Sie?“

„Er schläft“, erwiderte Anton. Aufmerksam untersuchte er die Wunde; es war eine ziemlich tiefe Stichwunde. Sie saß unterhalb der Rippen, und das Schwert hatte nur einige Muskeln durchtrennt. Anton seufzte erleichtert auf. Schnaufend blickte ihm Saul über die Schulter. „Schlimm?“ erkundigte er sich flüsternd.

„Nein“, erwiderte Anton. „In einer Stunde ist alles wieder in Ordnung.“ Er schob Saul beiseite. „Und Sie setzen sich jetzt bitte.“

Saul lehnte sich im Sessel zurück und starrte grimmig auf die regungslose „Zunge“. Anton knöpfte den Sack mit den Medikamenten auf, holte die Büchse mit dem Kolloid hervor und übergoß damit die Wunde. Das orangerote Gelee nahm sofort eine rosa Färbung an und überzog sich mit feinen rosa Pfeilen. Das ist das Blut, dachte Anton. Er betrachtete Wadims Gesicht. Es war etwas blasser als sonst, aber genauso ruhig und friedlich wie immer, wenn er schlief. Auch atmete er wie immer durch die Nase – tief und mühelos. Anton legte die Finger an die Wundränder und schloß die Augen.

Die einfachsten Methoden der Psychochirurgie gehörten mit zur Ausbildung eines Raumfahrers. Praktisch jeder Pilot verstand sich darauf, durch Anwendung der psychodynamischen Resonanz lebendes Gewebe zu operieren und wieder zusammenwachsen zu lassen. Das erforderte hohe Anspannung und Konzentration. Unter stationären Bedingungen verwendete man dazu Neurogeneratoren, doch unterwegs mußte man das nach Art eines Wunderdoktors machen, und Anton bedauerte diese Leute jedesmal.

Wie im Schlaf hörte Anton hinter sich Saul schwer atmen und hin und her rutschen. Der Gefangene, der einen unangenehmen, säuerlichen Geruch in der Kabine verbreitete, murmelte schluchzend.

Anton öffnete die Augen wieder. Die Wunde war zugeheilt und hatte das Kolloid herausgepreßt; jetzt war nur noch eine rosa Narbe zu sehen. Das reicht wohl, dachte Anton. Sonst kann ich den Gleiter nicht mehr steuern. Er war schweißgebadet.

„So, das wär’s“, sagte er, tief Luft holend.

Saul erhob sich und warf einen Blick auf die Wunde.

„Donnerwetter!“ brummte er. „Wie machen Sie das bloß?“

Anton schaute sich um und zuckte zusammen. Von draußen preßten sich schreckliche Gesichter mit eingefallenen Wangen und gefletschten Zähnen gegen das Kabinendach. Es war wie ein Spuk aus Urväterzeiten, als blickten Tote ins Haus. Anton überlief es eiskalt. Saul zog die buschigen Brauen zusammen und drohte mit dem Finger. Lautlos pochten knochige Fäuste gegen das Spektrolit.

„Geht nach Hause! Ab, nach Hause!“ rief Saul.

Anton zog Wadim an. „Wir fliegen gleich los“, sagte er.

„Dann töten Sie die ja alle.“

Anton schüttelte den Kopf und schwang sich auf den Pilotensitz. Der Gleiter ruckte an und erhob sich langsam in die Lüfte. Die Gesichter am Kabinendach verschwanden. Eine lange, knochige Hand mit abgebrochenen Fingernägeln glitt über das Spektrolit und verschwand dann ebenfalls.

Anton nahm Kurs auf das „Schiff“ und ging auf volle Geschwindigkeit. Er hatte es eilig - es war schon Mitternacht.

„Was liegt denen bloß an ihm?“ murmelte Saul. „Ein SS-Typ, eine Bestie. Ich habe selber gesehen, wie er sie mit Lanzenstichen angetrieben hat.“

Anton schwieg.

„Meine Güte!“ sagte Saul auf einmal. „Was hat der denn da für ekelhaftes Zeug! Das krabbelt ja nur so.“

„Was krabbelt?“

„So was Ähnliches wie Läuse. Wir müssen ihn erst mal waschen und alles gründlich desinfizieren.



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