Enzio by Friedrich Huch

Enzio by Friedrich Huch

Autor:Friedrich Huch [Huch, Friedrich]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Mörike
veröffentlicht: 1910-12-31T23:00:00+00:00


Mein lieber Freund, sagte eines Tages sein Kompositionslehrer zu ihm, Sie haben unbestreitbar ein Talent. Das sagt noch gar nichts. Talent haben viele jungen Musiker. Aber wenn sie so fortarbeiten, wie Sie tun, dann kann ich Ihnen garantieren: Aus Ihnen wird nie etwas! Sie scheinen alle Geduld verloren zu haben. Ihr erstes Schmerzenskind, die Sonate, zeigt doch, daß Sie’s können, wenn Sie sich Mühe geben und unverdrossen bei der Sache sind. Auch Ihre ersten Instrumentationsversuche waren durchaus nicht übel, aber seither haben Sie enorm nachgelassen! Sie hauen Ihre Einfälle hin, daß es einem leid tun kann. Roh sind Ihre Arbeiten, von einer wirklichen Kunst, von einem wirklichen Gefüge merkt man nichts. Sie wissen noch nicht viel vom Instrumentieren, können noch nicht viel davon wissen. Aber eins kann man von Ihnen verlangen: Daß Sie die Instrumente, die Sie da zusammenstellen, mit dem innern Ohr in der Tat auch hören. Täten Sie das, so würden Sie nicht so monströses Zeug abliefern, wie Sie die letzten Male getan haben. – Bitte, Sie haben mir selbst gesagt, daß sogar Wagner manchmal Fehler gemacht hat in der Instrumentation, und daß er das erst merkte, als er die Stellen bei den Proben wirklich hörte! – Wie das Kind klug schwatzen will! Sie wissen ganz genau, daß Ihre Einwände nicht zur Sache gehören! Sie reden immer so herablassend von der Musik Ihres Vaters; ich kenne nicht viel davon, und was ich kenne, gefällt mir auch nicht, das kann ich Ihnen als Musiker frei heraussagen; aber wenn Sie später einmal im Instrumentieren so geschickt und geschmackvoll werden wie er, dann kann ich Ihnen nur gratulieren! – Enzio warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Der Professor lachte und fuhr ihm mit den Fingern durch sein blondes Haar: Überflügeln Sie ihn nur, aber von selbst fällt Ihnen das nicht in den Schoß. Es ist, wie Sie wissen und wie es so schön im Sprichwort heißt, noch kein Meister vom Himmel gefallen! Ohne strenge, harte Arbeit kommen Sie nicht durch. – Ich war die letzten Wochen abgezogen und innerlich zerstreut! sagte Enzio, wie zur Entschuldigung. – Das habe ich bemerkt, und ich sage Ihnen auf den Kopf zu: Sie sind bis über die Ohren verliebt! Lassen Sie sich nicht unterkriegen! In Ihrem Alter kann das eine Klippe werden; ist man erst im Verbummeln drin, dann ist es schwer, sich wieder herauszuarbeiten. Lassen Sie jetzt einmal Ihre großen Sachen fort, an die Sie sich herangemacht haben und die doch nichts werden, wie Sie wohl selber einsehn; schreiben Sie mir eine ganz solide Ouvertüre für mittleres Orchester, oder, noch lieber: ein einfaches, gediegenes Quartett. Das müssen Sie jetzt können.

Auf Enzio machte diese Unterhaltung Eindruck. Von zwei Seiten wurde er so ermahnt, denn das Bienle hatte gleicherweise, wenn auch in viel primitiverer Form, zu ihm gesprochen, mehr als einmal: Enzio, du arbeitest zu wenig; dein Vater gibt doch das teuere Geld für dein Studium, und wenn du nun nachher nach Hause kommst und kannst gar nichts!

Tagelang sah er jetzt seine Freundin überhaupt nicht, und wunderte sich, wie gut das gelang.



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