Einhornträume. Vier Jahreszeiten – eine Liebe im Sommer by Rudolf Marko

Autor:Rudolf Marko [Marko, Rudolf]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105612668
Herausgeber: FISCHER Digital
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00

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Hab ich Sie umsonst bemüht?, frage ich.

Sie drückt meine Schulter.

Unfug. War schon richtig, mich zu rufen. Aber hier haben wir keine Ohnmacht. Das ist Tiefschlaf Ihre Frau ist erschöpft. Wodurch, Herr Unrau?

Wir haben geredet.

Gestritten?

Nein. Erzählt.

Halten Sie mich nicht für zudringlich, aber: Ging es um das Mädchen, das den Wagen Ihrer Frau fuhr?

Ja.

Ging es um Schuldgefühle?

Ja. Wir fühlen uns … sind mitschuldig. Beide.

Das haben Sie miteinander abgeklärt?

Noch nicht.

Dann sollten Sie warten, Herr Unrau. Sprechen Sie einstweilen nicht mehr von dem Mädchen. Warten Sie, bis Ihre Frau davon anfängt. Ja? Sie können sich unbesorgt schlafen legen. Gute Nacht!

Gute Nacht, Frau Doktor!

Ich lege mich hin, ziehe die Decke über mich und versuche einzuschlafen, doch etwas in mir ist auf dem Sprung, holt mich aus dem Halbschlaf zurück, sobald Hill sich regt, sobald ihre Atemzüge langsamer oder rascher aufeinander folgen, sobald sie im Schlaf murmelt. Was sie murmelt, kann ich nicht verstehen. Nicht einmal, ob es deutsche oder englische Worte sind.

Das geht so, bis die Fensterquadrate sanft grau anlaufen. Dann schlafe ich und werde gleich darauf von Mama geweckt. Aber es ist beinahe Mittag. Hill schläft tief. Ich wiederhole Mama, was Frau Dr. Krawuttke mir empfohlen hat, bitte sie, auf gar keinen Fall von Fran anzufangen. Mama schnaubt störrisch, wenn auch leise.

Pah! Kann mir denken, wie lieb es dir ist, dem Thema aus dem Weg zu gehen. Na, wenn die Ärztin es verschrieben hat – mir soll’s recht sein. Hier: meine Hausschlüssel. Bring meine Schokolade mit, die hab ich vergessen. Auf dem Schränkchen neben dem Telefon.

Ich wasche mir Gesicht und Hände und fahre los, durch den bunten geschäftigen Stadtlärm, durch das fremde grelle Sonnenlicht, durch Dörfer, die blass und verstaubt in der schweren diesigen Sommerhitze hocken, fahre erst bei Hellmichs vorbei. Murad und Hasan sind mit dem Ausschachten nahezu fertig. Ich erkläre ihnen, was danach zu tun sein wird, notiere, was ich an Material bestellen und anliefern lassen muss, zahle ihnen ihren Lohn für die vergangene Woche aus und fahre weiter, erst zu Mamas Wohnung und von dort nach Haus, raffe die Post zusammen, die hinter der Haustür liegt, trage sie auf Hills Schreibtisch, höre den Anrufbeantworter ab. Einige Anfragen von Kunden. Mehr als ein Dutzend Freunde, Bekannte und Kollegen, die dringend um Auskunft über Hills Befinden ersuchen, und Reinhardt ist auch unter ihnen. Wie mag die Nachricht von dem Unfall bis in seinen Beziehungsurlaub gedrungen sein? Zuletzt auf dem Band ein Anruf vom Autohaus Schaible, für Hill: Sie bieten ihr einen metallgrünen Audi Quattro an, neuestes Modell, mit Schiebedach und vielen Extras, einem sogenannten Treue-Rabatt von 2000 DM und zu extrem günstigen Finanzierungsbedingungen. Clever, die Jungs. Rasch bei der Hand.

Ich führe Telefongespräche, trinke ein Bier, das letzte, das im Kühlschrank steht, entdecke auf dem Herd einen Topf, dem Schimmelgewächs übern Rand wuchert, bauschig wie Watte, zartgrün, kratze den Schimmel und den darunter befindlichen Nährboden aus Spaghetti und Hackfleischsauce in den Mülleimer und weiche den Topf ein. Ich halte die Haustürklinke schon in der Hand, da kehre ich um, hole die beiden Kartons mit dem Material für Hills Vivaldi-Biographie vom Speicher und stelle sie neben ihren Schreibtisch.

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