Eine kurze Geschichte vom Quantencomputer (TELEPOLIS) by Christian J. Meier

Eine kurze Geschichte vom Quantencomputer (TELEPOLIS) by Christian J. Meier

Autor:Christian J. Meier
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dpunkt
veröffentlicht: 2020-02-15T00:00:00+00:00


Gesucht: Der »Transistor« des Quantencomputers

Eine ähnliche Staffelübergabe zwischen Forschung und Industrie gab es beim Quantencomputer noch nicht. Zwar erforscht etwa das Branchenschwergewicht IBM in seinen Almaden-Forschungslabors in Kalifornien Quantencomputer. Auch Microsoft widmet sich in seinem Forschungslabor »Station Q« an der University of California, Santa Barbara, dem Quantenrechnen. Aber dabei geht es noch nicht um Massenherstellungsverfahren. Davon sind die Firmen noch weit entfernt (siehe auch Kap. 8).

»Der Quantencomputer hat seinen Transistor noch nicht gefunden«, sagt Scott Aaronson. Man befinde sich etwa auf der Stufe des ENIAC, vergleicht der Informatiker. Mit anderen Worten: Bislang gibt es noch keinen Quantencomputer, der sich auf mehr als rund 50 Qubits ausbauen ließe. Damit die Algorithmen von Shor und Grover für Alltagsanwendungen relevant wären, bräuchte man Quantencomputer mit Tausenden von Qubits. Wahrscheinlich jedoch noch deutlich mehr, wie wir gleich sehen werden.

Der Molekül-Quantencomputer lässt sich am wenigsten ausbauen. Denn ein Chloroform-Molekül ist ein Chloroform-Molekül. Es hat nun mal nur zwei Qubits, genauso wie ein Hund eben nur vier Beine hat.

Eine Perlenkette hingegen ist etwas, das sich beliebig verlängern lässt, dazu muss man nur weitere Kugeln auf die Schnur fädeln. Eine Perlenkette kann man also im Prinzip unendlich skalieren. Doch in der Praxis wäre das nutzlos. Mit wachsender Länge kann man sie sich zwar mehrfach um den Hals schlingen. Irgendwann wird sie aber zu schwer, um sie bequem zu tragen. Ein Musterbeispiel an Skalierbarkeit ist eine Perlenkette daher nicht.

Bei der Ionenfalle ist es ähnlich. Weil sie theoretisch beliebig lang gebaut werden kann, indem immer noch ein weiteres Ion dazugesetzt wird, setzten Entwickler des Quantencomputers in den 1990er-Jahren auf diese Technik.

Doch wie der Perlenkette gebricht es dem Ionenfallen-Quantencomputer an Skalierbarkeit und zwar aus dem gleichen Grund: Die Kette wird immer schwerer. Das macht Operationen in der Kette immer träger, und die Rechnungen brauchen immer mehr Zeit. Und Rechenzeit ist bei einem Quantencomputer eine knappe Ressource, wie wir noch sehen werden.

Dass es nur eine Datenleitung zwischen den Ionen gibt, nämlich die Ionenkette selbst mit ihren Vibrationen, ist ein weiterer Flaschenhals. Je mehr Qubits die Kette enthält und je komplexer die Berechnungen werden, desto mehr Datenverkehr entsteht. Und den kann eine einzige Leitung freilich irgendwann nicht mehr schultern.

Auch der Kontrollaufwand schießt ins Kraut: Um die Verschränkung eines Quantenregisters aus 8 Qubits nachzuweisen, brauchten die Innsbrucker Forscher 650.000 Messungen, für das 14-Qubit-Register waren es fast eine halbe Milliarde Messungen, die Tage dauern.

Ernüchtert war das Team um Rainer Blatt zudem von der Beobachtung, dass mit jedem zusätzlichen Qubit die Empfindlichkeit gegenüber Störungen aus der Umwelt deutlich stärker zunimmt als angenommen. Mit der Größe des Quantenregisters steigt also die Dekohärenz. Als Vergleich taugt eine Schulklasse. Ein Lehrer kann vielleicht 20 oder 30 Schüler, darunter zwei oder drei notorische Störenfriede, bändigen. Eine 40-köpfige Klasse mit sechs Klassenclowns wird vielleicht noch so lala funktionieren. Aber 80 Kids, darunter 15 Rowdys – unmöglich.

Experten schätzen daher, dass Ionenketten höchstens für Quantenregister mit 100 Qubits taugen. Thomas Monz von der Universität Innsbruck hingegen sieht die Ionenfallen-Technologie keineswegs in der Sackgasse. »Die Physik an und für sich zeigt uns keine Schranken auf.



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