Edelherb: Roman (German Edition) by Gabrielle Zevin

Edelherb: Roman (German Edition) by Gabrielle Zevin

Autor:Gabrielle Zevin [Zevin, Gabrielle]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783104025810
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2013-10-16T22:00:00+00:00


XI.

Ich lerne den Preis der Freundschaft kennen, und Geld regiert immer noch die Welt

Das Flugzeug war nicht viel größer als eine Badewanne; der Flug war holprig. Obwohl ich seit über vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen hatte, kam mein Kopf nicht zur Ruhe. Ich konnte einfach nicht aufhören, an Leo und all die Gelegenheiten zu denken, wenn er von mir hatte begleitet werden wollen und ich abgelehnt hatte. Ich war diejenige gewesen, die ihn nach Japan geschickt hatte. War das ein Fehler gewesen? Warum hatte ich Yuji Ono je vertraut? Wie konnte Leo tot sein, wenn wir seit fast zehn Monaten nicht mehr miteinander gesprochen hatten? Das alles kam mir völlig unwirklich vor.

Flatternd fielen mir die Augenlider zu, so als würde der Schlaf mein schuldbewusstes Gewissen vorübergehend entlasten wollen, doch in dem Moment musste ich an Imogen denken. Nach Nanas Tod hatte ich Imogen unaussprechliche Taten vorgeworfen. Ausgerechnet ihr, die nichts anderes getan hatte, als sich um Nana, Natty und mich zu kümmern. Und jetzt war Imogen tot. Wegen uns.

Dann musste ich an Theo denken. Die Ärzte sagten, sein Zustand sei stabil, dennoch konnte er durchaus noch sterben. Was würden sie auf der Plantage ohne ihn machen? Theo managte den Laden, und wegen mir würde er das sehr lange nicht tun können. Dann kehrten meine Gedanken wieder zu Leo zurück. Ich begann mich zu fühlen, als ob ich nie wieder … schlafen … würde …

Gegen vier Uhr morgens landete das Flugzeug in Long Island. Ich schaute aus dem Fenster. Die Landebahn war beruhigend verlassen. Als ich die Treppe hinunterstieg, erhaschte ich den ersten Hauch New Yorker Luft – schmutzig und süß. Obwohl es mir in Mexiko gut gefallen hatte und ich mir gewünscht hätte, unter besseren Umständen zurückzukehren, war ich froh, dass meine Stadt mich wiederhatte. Es war übrigens eiskalt. Ich trug noch immer die Kleidung, die ich beim Besuch der Fabriken in Oaxaca angehabt hatte, wo es über zwanzig Grad warm gewesen war.

Ein einsames Fahrzeug, ein schwarzer Wagen mit getönten Scheiben, stand auf dem Parkplatz. Auf der Fahrerseite war die Fensterscheibe ungefähr zehn Zentimeter geöffnet, dahinter sah ich Simon Green schlafen. Ich klopfte an das Glas, und er erschrak. »Annie, steig ein, steig ein!«, sagte er und entsperrte die Schlösser.

»Keine Polizei«, bemerkte ich, kaum dass ich saß.

»Wir hatten Glück.« Simon Green schob den Schlüssel in die Zündung. »Ich dachte, ich bringe dich in mein Apartment in Brooklyn. Der Mord an Imogen hat ganz schön viel Wirbel verursacht, wie du dir sicher vorstellen kannst. Die Wohnungen von Mr. Kipling und dir werden geradezu belagert.«

»Ich muss Natty noch heute Nacht sehen«, beharrte ich. »Wenn sie bei Mr. Kipling ist, dann will ich da auch hin.«

»Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist, Annie. Wie schon gesagt …«

Ich unterbrach ihn: »Leo ist tot, Simon, und ich möchte, dass meine Schwester das von niemand anderem als von mir erfährt.«

Im ersten Moment war Simon sprachlos. »Das tut mir leid. Das tut mir wirklich furchtbar leid.« Er räusperte sich. »Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll.



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