Die SS in der Bundesrepublik by Andreas Eichmüller

Die SS in der Bundesrepublik by Andreas Eichmüller

Autor:Andreas Eichmüller
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2018-07-15T00:00:00+00:00


4 Die SS in den bundesdeutschen Sicherheitsbehörden

„Früher SS-Sturmbannführer – heute Polizeidirektor“, mit diesem Untertitel versah Dietrich Strothmann einen Anfang Juni 1962 in der Zeit erschienenen Artikel, in dem er aus Anlass eines Prozesses gegen frühere Angehörige des Einsatzkommandos 9 in Berlin auf das Phänomen aufmerksam machte, dass nicht wenige führend an Judenerschießungen in Osteuropa beteiligte ehemalige Gestapobeamte nach 1945 von den bundesdeutschen Polizeibehörden wieder in Dienst genommen worden waren.753 In dem vorliegenden Fall hatte es einer der Angeklagten zum Kriminalhauptkommissar beim Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen gebracht. Strothmann führte noch weitere Beispiele von Männern an, die in dem Prozess zwar nur als Zeugen ausgesagt hatten, gleichwohl jedoch auch dem Einsatzkommando angehört hatten; der eine nunmehr Leiter der Kripo in Ludwigshafen, die beiden anderen Mitglieder der für den Schutz der Staatsorgane zuständigen „Sicherungsgruppe Bonn“ im Bundeskriminalamt (BKA).754

Nachdem die Justiz in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre mit der systematischen Aufklärung der Morde der Einsatzkommandos in Osteuropa begonnen hatte, wurde den Ermittlern bald klar, dass sich ein erheblicher Teil der an den Tötungen beteiligten Kriminal- und Schutzpolizeibeamten immer noch oder erneut im Polizeidienst befand. Die Öffentlichkeit bekam diese Tatsache im Juli 1959 spektakulär vor Augen geführt, als der Präsident des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz Georg Heuser wegen des Vorwurfs der Durchführung und Leitung von Massenexekutionen in Minsk verhaftet wurde. Heuser, der im Zweiten Weltkrieg ab Ende 1941 beim KdS Minsk tätig gewesen und dort im Rang eines SS-Obersturmführers von Mai 1942 bis Juni 1944 die Gestapo und anschließend in der Slowakei das Einsatzkommando 14 geleitet hatte, war unter weitgehender Verschleierung seiner Vergangenheit 1954 als Kriminaloberkommissar in Ludwigshafen gemäß 131er-Gesetz wieder eingestellt worden und danach rasch aufgestiegen. Aus seiner Verhaftung ergaben sich einige dringende Fragen. Es müsse geklärt werden, schrieb die in Koblenz erscheinende sozialdemokratische Tageszeitung Die Freiheit, ob Heuser andere Ehemalige in sein Amt geschleust habe, ob er die Fahndungen der Zentralen Stelle in Ludwigsburg behindert habe und ob er seinen raschen Aufstieg ehemaligen Nationalsozialisten in anderen maßgeblichen Behörden des Landes verdanke.755 Die Zentrale Stelle selbst hatte Ähnliches im Laufe ihrer Ermittlungen bereits mehrfach feststellen müssen und deshalb zur Verfolgung von NS-Straftätern die Bildung von polizeilichen Sonderkommissionen angeregt, deren Beamte sich während des Kriegs möglichst nicht im Osteinsatz befunden und mit den Beschuldigten dienststellenmäßig nicht in Kontakt gestanden haben sollten.756

Als im Herbst 1959 in Nordrhein-Westfalen ein neuer Chef des Landeskriminalamts gekürt werden sollte und sich mehrere ehemalige SS-Angehörige für den Posten bewarben, waren die in der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) organisierten Polizisten des Landes alarmiert. Sie wandten sich schon seit Mitte des Jahrzehnts gegen die Wiedereinstellung von ihrer Ansicht nach aus der Zeit des Nationalsozialismus belasteten Polizisten, deren Einrücken in Führungsämter und die dadurch entstehenden Nachteile für die erst nach 1945 in den Polizeidienst eingetretenen Beamten.757 Hatten erste diesbezügliche Beschwerden einen eher allgemeinen Charakter, so nannte der Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Willy Könen auf dem SPD-Parteitag in München im Juli 1956 öffentlich einige konkrete Namen. Er handelte sich dafür eine Strafanzeige wegen Verleumdung und falscher Anschuldigungen ein, der jedoch keine Folge gegeben wurde, da der Bundestag eine Aufhebung seiner Immunität verweigerte.



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