Die Sache mit Peter by Max Meier-Jobst

Die Sache mit Peter by Max Meier-Jobst

Autor:Max Meier-Jobst
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Books on Demand
veröffentlicht: 2017-02-15T00:00:00+00:00


22.

„Schön, dich zu sehen! Komm doch rein. Ich hoffe, du wartest noch nicht lange?“

Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich seit viertel vor vier vor seiner Tür stand. Mittlerweile war es zehn vor fünf. Die alte Frau mit dem Hund aus der Nachbarschaft war schon zweimal vorbeigelaufen, auf dem Hin- und auf dem Rückweg vom Gassigehen, und sowohl der Hund als auch sie hatten mich beide Male äußerst kritisch beäugt und ihr kleiner Kläffer meinte sogar, mich böse anbellen zu müssen, als sei ich ein auf seine Gelegenheit lauernder Einbrecher. Offenbar war Peter heute nach der Arbeit noch einkaufen gewesen, denn er trug zusätzlich zu einer kleinen Umhängetasche einen großen Hertie-Plastikbeutel mit unbestimmten Inhalt.

„Wie geht es deinem Oberschenkel?“

„Super. Tut überhaupt nicht weh, seit gestern Abend schon nicht mehr.“

„Schön. Dann war es wahrscheinlich nur eine leichte Zerrung. Was Kühlen und Massieren doch so alles bewirken kann.“

Hoffentlich war es das jetzt mit Reminiszenzen zum gestrigen Tag, dachte ich mir.

„Hör zu, das was gestern noch passiert ist, das tut mir leid. Ich hätte das nicht machen sollen, es… Vergessen wir es einfach, okay?“

Ich sagte nichts. Schlagartig bereute ich, entgegen meines festen Entschlusses vom Vortag wieder zu ihm gegangen zu sein. Aber ich brachte es auch nicht fertig, wieder zu gehen. Er deutete an, ich solle mich aufs Sofa setzen. Doch ich blieb im Türrahmen stehen. Ich mochte diese Couch nicht besonders.

„Gut, ich pack nur meine Einkäufe aus, zieh mich eben um und dann können wir los.“

Ich war maßlos enttäuscht, dass er meinen Geburtstag vergessen hatte. Das machte mir die Sache einfacher. Ich marschierte in Richtung Tür, in der Überzeugung, das Haus zu verlassen und nie wieder zu betreten.

Ich hatte die Klinke schon in der Hand, da hörte ich ihn früher als erwartet zurückkommen. Ruckartig drehte ich mich wieder um, als hätte man mich bei etwas Verbotenem erwischen können, und ging wie ferngesteuert zurück in den Türrahmen. Sekunden später stand er vor mir, das Hemd gegen ein T-Shirt und die feine Stoffgegen eine legere Sporthose ausgetauscht.

„Alles Gute zum Geburtstag!“

Er drückte mir einen kugelförmigen Gegenstand in die Hand, der mehr schlecht als recht in Geschenkpapier eingewickelt war. Perplex nahm ich die Glückwünsche und das Geschenk entgegen und noch perplexer war ich, als ich es ausgepackt hatte. Es war der Tricolore von Adidas! Der original Spielball der WM 98 war auch im Jahr danach noch so ziemlich das teuerste und beste Modell, das es zu kaufen gab.

„Wow. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“

„Wie wär’s mit ‚Danke‘?“, sagte er lachend.

„Danke. Aber der ist doch viel zu teuer!“

„Im Grunde genommen purer Eigennutz. Mit deiner alten Schrottkugel werde ich wohl nie gegen dich gewinnen. Ein feiner Techniker wie ich braucht `nen guten Ball, um gegen so einen energiegeladenen Jungspund wie dich überhaupt noch Chancen zu haben.“

Jetzt lachte auch ich.

„Sag mal, ist das etwa schon das neue Trikot, das du da trägst?“ Auch das war ihm also nicht entgangen.

„Ja“, sagte ich stolz.

„Ein Geschenk von deinen Eltern?“

„Ja, also nein, nur von meinem Vater, eigentlich.“

„Verstehe. Also sind deine Eltern wohl getrennt.“

„Ja“, sagte ich, möglichst knapp.



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