Die Nonne by Denis Diderot

Die Nonne by Denis Diderot

Autor:Denis Diderot [Diderot, Denis]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Historische Erotikliteratur
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


»Mein Herr, Sie werden mich zu Grunde richten.«

»Fürchten Sie nichts, von heute ab stehen Sie nicht mehr unter ihrer Gewalt; vor Ende der Woche werden Sie nach Saint Eutrope, in die Nähe von Arpajon, überführt werden; Sie haben einen guten Freund.«

»Einen guten Freund, mein Herr? Ich wüßte keinen.«

»Es ist Ihr Advokat.«

»Herr Manouri?«

»Ja.«

»Ich glaubte nicht, daß er sich meiner noch erinnere.«

»Er hat Ihre Schwester aufgesucht, hat den Erzbischof, den ersten Präsidenten und alle durch ihre Wohlthätigkeit bekannten Personen gesprochen; auch hat er Ihnen in dem Hause, das ich Ihnen genannt, eine Ausstattung verschafft, und Sie brauchen hier nur noch kurze Zeit zu verweilen. Wenn Sie daher irgend eine Unzuträglichkeit wissen, so können Sie mich davon unterrichten, ohne daß Sie etwas zu befürchten brauchen; ja, ich befehle es Ihnen sogar, bei dem heiligen Gehorsam.«

»Ich weiß nichts.«

»Wie, man hat seit dem Verluste Ihres Prozesses keinerlei schlimme Maßregeln gegen Sie angewendet?«

»Man hat mit Recht geglaubt, daß ich einen Fehler begangen habe und hat mich deshalb veranlaßt, Gott um Verzeihung zu bitten.«

»Ja, aber eben die näheren Umstände dieses Vorfalles möchte ich wissen.«

Während er diese Worte sprach, schüttelte er das Haupt und zog die Stirn zusammen; ich erkannte, daß es nur an mir lag, der Oberin einen Teil der Geißelhiebe zurückzugeben, die sie mir hatte zu teil werden lassen; doch das war nicht meine Absicht. Der Archidiakon sah wohl ein, daß er nichts von mir erfahren würde, und verließ mich, indem er mir noch anbefahl, hinsichtlich meiner Überführung nach Saint Eutrope Stillschweigen zu bewahren.

Als Herr Herbet über den Klostergang wandelte, wandten sich seine Gefährten um und grüßten mich mit liebevoller und sanfter Miene. Ich glaubte ihn damit beschäftigt, eine andere Nonne auszufragen oder zu tadeln, als er wieder in meine Zelle trat und zu mir sagte:

»Woher kennen Sie Herrn Manouri?«

»Durch meinen Prozeß.«

»Wer hat Sie zu ihm geführt?«

»Die Frau Präsidentin.«

»Sie haben also im Laufe Ihrer Angelegenheit häufig mit ihm konferiert?«

»Nein, mein Herr, ich habe ihn sehr selten gesehen.«

»Wie haben Sie ihn also unterrichtet?«

»Durch einige Denkschriften.«

»Haben Sie Kopieen davon?«

»Nein, mein Herr.«

»Wer übergab ihm diese Denkschriften?«

»Die Frau Präsidentin.«

»Und woher kannten Sie dieselbe?«

»Ich kannte sie durch die Schwester Ursula, meine Freundin, und ihre Verwandte.«

»Sie haben Herrn Manouri seit dem Verlust Ihres Prozesses nicht mehr gesehen?«

»Ein einziges Mal.«

»Das ist sehr wenig; und er hat Ihnen nicht geschrieben?«

»Nein, mein Herr.«

»Er hat Ihnen doch jedenfalls mitgeteilt, was er für Sie gethan? Ich verbiete Ihnen, mit ihm im Sprechzimmer zu reden, und wenn er Ihnen schreibt, so werden Sie mir seinen Brief uneröffnet zuschicken, hören Sie wohl, uneröffnet!«

»Ja, mein Herr, ich werde gehorchen!«

Herr Manouri kam noch an demselben Abend nach Longchamp; doch ich hielt dem Archidiakon Wort und weigerte mich, ihn zu empfangen. Am nächsten Tage schicke er mir durch seinen Boten einen Brief, und ich schickte denselben uneröffnet an Herrn Hebert. Es war Dienstag, so weit ich mich erinnere. Ich erwartete noch immer mit Ungeduld die Wirkung des Versprechens des Diakons und der Bemühungen des Herrn Manouri; doch der Mittwoch, der Donnerstag und der Freitag verging, ohne daß ich etwas erfuhr. Erst am Sonnabend gegen 9 Uhr machte sich ein starker Lärm im Hause bemerkbar.



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