Die Macht der Rituale - Symbolik und Herrschaft im Mittelalter by Wissenschaftliche Buchgesellschaft

Die Macht der Rituale - Symbolik und Herrschaft im Mittelalter by Wissenschaftliche Buchgesellschaft

Autor:Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783534728961
Herausgeber: Wissenschaftliche Buchgesellschaft
veröffentlicht: 2017-01-23T16:00:00+00:00


IV. Herrschaftsrituale im 12. Jahrhundert

In der Zusammenfassung des letzten Kapitels wurde die Herrschaft Heinrichs IV. als eine Zeit herausgearbeitet, in der zentrale Bestandteile der Herrschaftsrituale aus unterschiedlichen Gründen zum Problem wurden. Dies lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass sie im 12. Jahrhundert nicht mehr oder nur noch sehr selten benutzt und durch andere ersetzt worden sind. Die Krise des 11. Jahrhunderts erweist sich also auch in ritualgeschichtlicher Hinsicht als eine Krise mit Folgewirkungen, deren Hauptursachen man thesenhaft so bezeichnen kann: Durch den Bußgang von Canossa gerieten freiwillige Selbstdemütigungen des Königtums wohl in den Verdacht, eine Unterordnung unter die Päpste symbolisch zum Ausdruck zu bringen. Das könnte den Rückgang einschlägiger Handlungen verursacht haben und erklären.1 Durch vielfältige Vorwürfe gegen Heinrich IV., Vereinbarungen nicht eingehalten zu haben, verringerte sich überdies auch das Vertrauen in die Verbindlichkeit ritueller Aussagen, wie sie vor allem im Bereich der Unterwerfungsrituale praktiziert worden waren.2

Bei diesen Ritualen beobachtet man besonders deutlich das Bemühen, sie zur Intensivierung der Machtausübung zu instrumentalisieren, indem nun nicht mehr in erster Linie die herrscherliche Verpflichtung zur clementia, sondern zur iustitia akzentuiert wurde.3 Der geradezu inflationäre Gebrauch expressiver Bittgesten durch den König in der politischen Auseinandersetzung, wie sie sich etwa in den vielen Fußfällen Heinrichs IV. vor Getreuen manifestieren, trug gleichfalls dazu bei, Vertrauen in die Ernsthaftigkeit und Seriosität solcher Handlungen zu erschüttern.4

Diese und gewiss eine Reihe weiterer Ursachen führten wohl zu einer doch tiefgreifenden Neuorientierung bei der Gestaltung rituellen Verhaltens im Bereich der Herrschaft im 12. Jahrhundert. Sie manifestierte sich einerseits in einer Modifikation vieler ritueller Verhaltensweisen, andererseits in einer Intensivierung der Diskurse, was denn rituelles Verhalten genau zu bedeuten habe. Letzteres führte auch zu mehr Streit über den Sinn ritueller Aussagen, den wir bisher nicht thematisieren mussten, weil er in den früheren Jahrhunderten so gar nicht bezeugt ist. Natürlich waren von diesen Prozessen nicht alle Bereiche der Herrschaftsrituale in gleicher Weise betroffen, doch drängt das Ausmaß und die Intensität des Wandels sich geradezu als Auswahlkriterium in diesem Kapitel auf. Es werden daher vorrangig Befunde vorgestellt, die Veränderungen im Bereich rituellen Verhaltens anzeigen.

Diese lassen sich besonders deutlich erkennen in neuen rituellen Handlungen bei der Begegnung zwischen Kaisern und Päpsten, die Ausdruck der Versuche sind, das Verhältnis der beiden Gewalten neu darzustellen. Diesen Vorgängen und den Interpretationsbemühungen, die sie begleiteten, gilt die Aufmerksamkeit im ersten Unterkapitel.

Im zweiten werden das Ritual der Unterwerfung und seine Abwandlungen einer erneuten Betrachtung unterzogen, denn es ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich für die Möglichkeiten und das Selbstverständnis der Mächtigen, ob sie Unterwerfung akzeptierten, honorierten oder zu Strafritualen umfunktionierten. In einem dritten Kapitel sei zusammenhängend darauf aufmerksam gemacht, wie viel Sensibilität für ein genaues Verständnis ritueller Handlungen bei den Menschen des 12. Jahrhunderts zu beobachten ist. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass es nun vermehrt Streit um die Bedeutung einzelner Akte gab.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.