Der Teufel steckt im ICE: Die abgefahrensten Erlebnisse einer Zugbegleiterin (German Edition) by Juliane Zimmermann

Der Teufel steckt im ICE: Die abgefahrensten Erlebnisse einer Zugbegleiterin (German Edition) by Juliane Zimmermann

Autor:Juliane Zimmermann [Zimmermann, Juliane]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Lübbe (Bastei Lübbe Taschenbuch)
veröffentlicht: 2015-01-31T05:00:00+00:00


8Knockin’ on Heaven’s Door

Verehrte Fahrgäste, die Einnahme von Drogen ist in Zügen der Deutschen Bahn leider nicht gestattet. Nirgendwo, nicht mal vorn beim Lokführer. Es gibt niemanden, der das mehr bedauert als ich.

Bahnfahren ist praktisch – dort gelten keine Promillegrenzen. Man kann sich sogar ein Bierchen oder Weinchen im Bistro kaufen. Allerdings übertreiben es einige Reisende schon mal. Das ist weder für die Mitfahrenden schön noch für uns als Zugpersonal.

Es gibt eigentlich nur wenige Situationen, die mir wirklich Angst machen, aber dazu gehören Begegnungen mit Fußballfans, die schon vor dem Spiel ordentlich getankt haben. Meist sind die Abteile an Bundesligaspieltagen sehr voll, und die Fans grölen ununterbrochen ihre Schlachtlieder.

Ich hatte an einem Samstag eine Fahrt von Hannover nach Dortmund. An diesem Tag spielte Bayern München gegen Borussia Dortmund. In Minden stieg ein Mann zu, der sichtlich angeschickert war. Aber er hatte eine gültige Fahrkarte und benahm sich nicht auffällig. Er starrte mich lediglich mit glasigem Blick an, als ich das Ticket entwertete, und murmelte ohne Unterlass: »Bayern töten. Bayern töten.« Die anderen Fahrgäste waren etwas pikiert und rückten von ihm ab, aber da der Mann nichts tat, außer diesen Spruch von sich zu geben, hatte ich keinen Grund, ihn aus dem Zug zu entfernen.

Immer mehr schwarz-gelb gekleidete Fahrgäste stiegen zu. Noch war die Stimmung fröhlich, alle freuten sich auf das Spiel, und keiner schien auf Streit aus zu sein. Dann kam in Gütersloh eine Frau mit ihrem vielleicht sechsjährigen Sohn an Bord. Der Junge schaute sich die Fußballfans interessiert an, und plötzlich erhob er die helle Stimme und sang glockenklar:

»Blau und Weiß, wie lieb ich dich

Blau und Weiß, verlass mich nicht

Blau und Weiß ist ja der Himmel nur

Blau und Weiß ist unsere Fußballgarnitur

Hätten wir ein Königreich

Machten wir es den Schalkern gleich

Alle Mädchen, die so jung und schön

Müssten alle Blau und Weiß gekleidet gehn.«

Alle, wirklich alle, waren urplötzlich still. Der Junge traute sich was, er sang die Hymne der Schalker, dem Erzrivalen von Borussia Dortmund, und zwar in einem Zug voller Borussen!

Die Mutter schaute mich entsetzt an, hoffentlich gab das keinen Ärger. Dann zischte sie in Richtung ihres Sohnes: »Pscht! Sei bloß still!« Sie sah sich um. »Entschuldigung!«, sagte sie dann laut in die Runde. »Das ist Familientradition, das hat er wohl schon mit der Flasche aufgesaugt, die ihm sein Opa gegeben hat.«

»Fan ist Fan, und die Blau-Weißen sind aus’m Pott, genau wie die Borussia«, sagte ein Mann und stieß seinen Kumpel an. »Alles ist besser als der FC Bayern! Stimmt’s, oder habe ich recht?«

»Hast recht.«

»Jawoll«, sagte nun ein anderer, stand auf und sang: »Zieht den Bayern die Lederhose aus, die Lederhose aus …«

»… Lederhose aus!«, stimmte nun auch der Junge strahlend und voller Begeisterung ein.

So sangen sie gemeinsam und fröhlich vor sich hin. Was war ich froh, dass der kleine Kerl kein Bayern-Fan war … Das hätte vielleicht wirklich Ärger geben können. Nicht, dass sie dem Jungen etwas getan hätten. Aber manchmal reichte schon eine Lappalie aus, um die Stimmung von angeheitert zu aggressiv umkippen zu lassen, und zwar innerhalb eines Wimpernschlags.



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