Der programmierte Mensch by Thomas R. Köhler
Autor:Thomas R. Köhler
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Allgemeine Buch
veröffentlicht: 2015-09-30T00:00:00+00:00
3. Warum Spielen schlecht ist
Hätten Sie andere Erwartungen an die Aussagen einer bekannten Computerspieldesignerin gehabt, als dass sie die Ergebnisse ihrer eignen Arbeit ins positive Licht rückt und dabei die negativen Aspekte ausblendet?
Wundern Sie sich über so manche Studie, wie die zuvor beschriebene Untersuchung der Michigan State University, die bei Heranwachsenden als Wirkung im wesentlichen die Förderung der Kreativität sieht, während Kinder- und Jugendschützer vielfach vor dem Spielkonsum warnen und bekannte Hirnforscher als Folge sogar die weite Verbreitung von „Digitaler Demenz“ sehen? Kaum ein Thema polarisiert derzeit so sehr, deshalb zurück zu den Fakten:
Festhalten lässt sich in jedem Fall, dass Spielen Zeitverschwendung ist. Rund 10.000 Stunden verbringt ein Heranwachsender mit Onlinespielen (diese Zahl liefert das zuvor zitierte Buch „Reality is broken“ unter Bezug auf mehrere Untersuchungen zum Thema). Man ist geneigt zu fragen, ob es keine bessere Verwendung für diese Zeit gibt.
Die bereits zuvor im Kontext mit dem Klischee des „dicken Computernerds“ genannte Studie der Michigan State University, über die im „Journal of Computers in Human Behaviour“ berichtet wurde, kam 2011 nicht nur zu der Erkenntnis, dass an dem Klischee etwas Wahres dran ist, sondern stellte außerdem fest, dass schlechtere Schulnoten und weniger ausgeprägtes Selbstvertrauen durchaus in Bezug mit häufiger Nutzung von Videospielen zu sehen sind.
Auch kann das für viele Spiele typische Ranking der Spieler in Bestenlisten den IQ beeinträchtigen, wie die Forscher: Kenneth T. Kishida, Dongni Yang, Karen Hunter Quartz, Steven R. Quartz und P. Read Montague in ihrem aktuellen Forschungsbeitrag „Implicit signals in small group settings and their impact on the expression of cognitive capacity and associated brain responses“ in „Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences“ dokumentieren. 144 Vereinfachend gesagt, beeinträchtigen Rankings und Wettbewerbe die Leistungsfähigkeit.
In dem zuvor bereits zitierten Artikel aus dem Wall Street Journal: „Warum Spielen gut für Sie ist“, werden – ganz am Rande – ebenfalls einige negative Aspekte gestreift. Vollständig lassen sich positive und negative Rückwirkungen also nicht trennen. Nach einer in diesem Beitrag zitierten Studie der Universität von Indiana lassen sich Einflüsse auf Hirnfunktionen, die mit der Emotionskontrolle in Zusammenhang stehen, bereits nach einer Woche intensivem Spiel ausmachen.
Videospiele können also das Verhalten über das konkrete Spielerleben hinaus beeinflussen und steuern. Wenn man dies weiter durchdenkt, führt es automatisch zu der Frage, ob und inwieweit Computerspiele „süchtig“ machen können beziehungsweise was eine Sucht nach einer derartigen Betätigung überhaupt charakterisieren kann.
Erfahrungen aus dem eigenen Bekanntenkreis des Autors sprechen durchaus für einen möglichen Zusammenhang, kommen aber allenfalls als „anekdotischer Beweis“ in Betracht. Auch berichten etwa Betreiber von Internetcafés immer wieder von Besuchern, die bis Ladenschluss unentwegt spielen und sich auch dann nur sehr schwer zum Verlassen der Lokalität bewegen lassen. Sie neigen aber – mit Blick auf die eigene Einnahmesituation – durchaus dazu, derartige Verhaltensweisen als „noch normal“ durchgehen zu lassen.
Auf der anderen Seite unterstellt man Psychologen gerne, dass sie – ähnlich wie die Pharmaindustrie im Verdacht steht, neue Krankheiten zu lancieren – neue Süchte und Behandlungsnotwendigkeiten (er)finden. Die Debatte rund um die Internetsucht spricht in diesem Zusammenhang Bände. Auch der aktuelle Bericht
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