Der Metzger, der kein Fleisch mehr isst ... by Karl Ludwig Schweisfurth

Der Metzger, der kein Fleisch mehr isst ... by Karl Ludwig Schweisfurth

Autor:Karl Ludwig Schweisfurth [Schweisfurth, Karl Ludwig]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Tags: Sachbuch
ISBN: 9783865815927
Herausgeber: oekom verlag GmbH
veröffentlicht: 2014-07-28T22:00:00+00:00


Wühlen und Picken: Herrmannsdorfer Weideschweine und Landhühner vereint bei ihrer Lieblingsbeschäftigung.

Es gibt neben diesem vierfachen Muss, das unabdingbar zur zumutbaren Schweinehaltung gehört, noch etwas anderes. Etwas Bedenkenswertes: Schweine sind intelligent. Lyall Watson schrieb in seinem letzten umfangreichen Buch: »Ich weiß von keinem anderen Tier, das ausdauernder neugierig wäre und so darauf aus ist, mehr aus neuen Erfahrungen zu machen. Und keines, das bereit wäre, die Welt mit so offenmäuligem Enthusiasmus zu begegnen. Schweine sind rettungslos optimistisch, und allein ihr Dasein gibt ihnen den gewissen Kick.«

Und ein anderer »Schweineversteher« soll gesagt haben: »Katzen schauen auf dich herab, Hunde zu dir auf und Schweine schauen dich an, von gleich zu gleich.« (Sir Winston Churchill) Ich hatte Hunde, ich lebte lange und lebe noch immer in der Nachbarschaft von Katzen. Und ich beobachte in Herrmannsdorf unsere Glücksschweine, die ein schweinemäßig gutes Leben führen. Und je mehr ich darüber nachdenke, finde ich: Churchill hat recht.

Was machen wir mit diesem Schweinenaturell? Wir unterdrücken es oder – äußerstenfalls – befriedigen es mit etwas aufgehängtem Spielzeug: Plastikkanistern und rostigen Ketten. Jämmerlich!

*

Damals, als ich von Ekel und Scham geschüttelt den Hof des golfenden Mästers verließ, wusste ich vieles noch nicht über den »Kosmos Schwein«. Aber man muss, sieht man ein Schwein apathisch auf seinen »beschissenen« paar Quadratmetern dahindämmern, nicht Verhaltensforscher und Tierethologe sein, um sich wie ein Verräter zu fühlen.

»Vater, du weißt doch gar nicht mehr, wie es da draußen zugeht!«, hatte mein Sohn Karl gesagt. Er wusste, dass ich mich zwischenzeitlich umgeschaut hatte. Er würde fragen. Was sollte ich ihm sagen?

Ich könnte sagen, dass die Begleitumstände unseres Gewerbes es leider mit sich bringen, dass … Ich könnte auch sagen: Es gäbe da schon in Dingsbums auf Versuchsbasis ein, zwei Musterbetriebe … und die gelte es künftig zu fördern: Mästereien, in denen man es zu verhindern wisse, dass sich Mastschweine die Schwänze abbeißen und die Nasen an Ammoniak verätzen … Oder ich könnte auch sagen, dass …

Ach was! Ich entschloss mich, nichts zu sagen, was ich mir selbst nicht glaubte. Nicht mehr.

Ich halte nichts davon, gelebtes Leben nach sogenannten Damaskus-Erlebnissen zu durchkämmen: Situationen, in denen man – so mag es einem rückblickend erscheinen – plötzlich und unwiderruflich in eine andere, in eine neue Richtung aufbrach. In Wirklichkeit, also im wirklich gelebten Leben, sind es meist Kurven, die mit leichter Krümmung beginnen und dann einen Scheitelpunkt erreichen. Und wenn ich nachrechne, waren es vom Besuch beim »Golf-Mäster« immerhin noch fünf Jahre, bis ich mit der Welt der Fleischmassen abschloss. Und mehr als drei Jahrzehnte, bis aus einem Metzgermeister und Ex-Fleischgroßindustriellen ein Fast-Vegetarier wurde. Ein Auswärts-Vegetarier.

Eine verdammt lange Inkubationszeit. Eine Zeit, in der mir immer deutlicher wurde, dass mit den Schweinen Grundsätzliches nicht mehr stimmte. Sie wirkten – der Besuch des Schweinemastbetriebs blieb nicht meine einzige »Realbegegnung« dieser Art – verhaltensgestört und nervös. Manche starben beim Transport an Herzinfarkt. Das Fleisch war von deutlich anderer Konsistenz als das Fleisch, das man bisher zwischen den Zähnen hatte. Für dieses Phänomen gab es ein Fachkürzel: PSE-Fleisch (pale, soft, exudativ) – blass, weich und wässrig.



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