Anständig essen by Karen Duve

Anständig essen by Karen Duve

Autor:Karen Duve [Duve, Karen]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch


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Die Sache mit der Milch

»Die Milch macht’s!«

(Werbespruch)

Milch ist eines der gesündesten Lebensmittel überhaupt. Sie macht nicht nur müde Männer munter, sondern steckt auch noch voller Kalzium und ist deswegen gut für die Knochen. So habe ich das gelernt, und so sieht das auch unsere Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel.

Veganer – die alten Spielverderber – sehen das mal wieder völlig anders. Milch, so sagen sie, ist zwar ein super Lebensmittel – aber nur für Kälber. Menschen sollten lieber die Finger davon lassen.

Nun haben Veganer ja öfter mal seltsame Ansichten, etwa wenn sie behaupten, dass ihnen der schauderhafte vegane Ersatz-Käse so richtig gut schmecken würde. Mein erster Verdacht also, als ich im veganen Umfeld immer wieder auf Bücher und Artikel über die Gesundheitsrisiken des Milchkonsums stieß, war deswegen auch der, dass sich hier einige Übereifrige die Tatsachen zurechtbiegen, wie sie ihnen in den veganen Kram passen. Verdenken könnte ich es ihnen allerdings nicht. Der Konsum von Milch produziert unendliches Leid. Kaum einem Haustier wird so grausam mitgespielt wie der Kuh. Aber Fernsehsendungen über geschundene Tiere haben bedauerlicherweise wenig Auswirkung auf den Fleisch-, Eier- oder Milchkonsum. Läuft im Fernsehen hingegen ein Bericht über Gammelfleisch oder zerhackte Kükenembryonen in Frischeinudeln, ist die Kauflust des Konsumenten am nächsten Tag deutlich gebremst. Offensichtlich ist der Magen empfindlicher als das Herz, und es macht mehr Sinn, die Leute zu erschrecken, als zu versuchen, ihr Mitleid zu erregen. Nun handelt es sich bei den Autoren, auf die sich die Veganer beziehen und die sich so vehement gegen den Milchkonsum aussprechen, aber nicht um irgendwelche Spinner, sondern um Fachleute und Wissenschaftler wie Dr. Colin T. Campbell, einen emeritierten Professor für Biochemie an der Cornell University, das eines der renommiertesten Institute der USA ist. Campbell hat über 40 Jahre lang in der Ernährungsforschung gearbeitet und 170 Dörfer in China über Jahre hinweg auf die Beziehung zwischen Ernährung und Zivilisationskrankheiten untersucht. Seine 1990 veröffentlichte »China Study« gilt als eine der umfassendsten Studien zu den Auswirkungen von Ernährung und Lebensstil auf die Gesundheit. Deswegen habe ich mir die Argumente gegen die gute Milch sehr gründlich durchgelesen. Dann habe ich mir noch einmal die Argumente der Milchbefürworter angesehen, und jetzt versuche ich mal zusammenzufassen, wie sich die Sache für mich darstellt:

Also, einig sind sich beide Seiten immerhin so weit, dass Menschen, die Kuhmilch verdauen können, ein relativ junges Phänomen sind. Es gibt sie erst seit höchstens 9000 Jahren. (Untersuchungen an neun europäischen Skeletten aus der Jung- und Mittelsteinzeit (7800 bis 7200 Jahre alt) haben bei der Analyse ihrer Gene ergeben, dass keiner dieser Menschen in der Lage war, Milch zu verdauen.) Bis dahin konnten Menschen – wie alle anderen Säugetiere auch – Milch nur so lange vertragen, wie sie von ihren Müttern gestillt wurden. In dieser Zeit bilden Säuglinge nämlich das Verdauungsenzym Laktase, das den in der Milch enthaltenen Milchzucker aufspaltet. Werden Babys nach einigen Monaten entwöhnt, wird auch bald das Enzym nicht mehr ausreichend gebildet. Diese sogenannte Laktoseintoleranz ist keine Krankheit und kein Gendefekt, sondern für 75 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung bis heute der Normalfall.



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