Der letzte Sommer by Konstantin Simonow
Autor:Konstantin Simonow [Simonow, Konstantin]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Verlag Volk und Welt, Berlin
veröffentlicht: 1976-03-27T00:00:00+00:00
19
Der vierte Angriffstag fand Serpilin auf einem neuen Gefechtsstand, einer drei Tage zuvor geräumten deutschen B-Stelle. Der Wald roch nach dem Harz geschlagener und gespaltener Fichten. Doch auch dieser Gefechtsstand sollte nun verlassen, den vorrückenden Truppen nachverlegt werden.
Serpilin war spät in der Nacht zurückgekehrt. Er hatte vier Stunden wie ein Toter geschlafen, als er die Meldung erhielt, eine der Vorausabteilungen habe den Dnepr überquert und einen Brückenkopf gebildet. Das tun zu wollen, hatten Korps- und Divisionskommandeur am Abend zuvor geschworen bei allem, was ihnen heilig war. Sie hatten ihren Schwur gehalten.
Nichts Schöneres, als wenn Untergebene das Zugesagte halten. Wäre das immer so, wäre Kriegführen einfach, alles ginge nach Plan. Doch leider geht im Krieg beileibe nicht alles nach Plan, weder bei den anderen noch bei einem selbst. Wer als erster über einen Fluà springt, springt ohne Gepäck. Nun kam es für den Gegner wie für Serpilin darauf an, Zeit zu gewinnen. Gelang es ihm, das Nötige rasch hinüberzubringen und Feuerunterstützung zu geben, dann würden sie sich halten, sonst nicht.
Serpilin rief den OB der Luftarmee an und bat ihn, mit Schlachtfliegern den Schutz des Brückenkopfes zu übernehmen. Sie sollten den Deutschen nicht an ihn heranlassen, vor allem Panzer und Sturmgeschütze fernhalten. Der General versprach, Schlachtflieger zu schicken, doch nicht gleich, vorläufig sei das Gelände schlecht einzusehen, überm Dnepr hinge noch Morgennebel. Ja, in diesem Nebel sind sie übergesetzt, dachte Serpilin beifällig über jene, die bereits drüben am andern Ufer waren. Sie haben das Ihre getan, das übrige hängt von uns ab.
Er rief Kirpitschnikow, den Korpskommandeur, an, damit der seine Hauptkräfte so rasch als möglich an den Dnepr heranbrachte. Sagte, er würde gleich selber zu ihm kommen. »Seid ihr noch da, wo ihr gestern wart?«
»Jawohl, vorläufig noch«, antwortete Kirpitschnikow.
Leider noch, wollte Serpilin sagen, verbià es sich aber, denn es diente der Sache keinesfalls, wenn der Korpskommandeur auf diesen Vorwurf hin stracks losmarschierte. Es ging um den Vormarsch der Truppen und nicht darum, daà er alle fünf Minuten mit seinem Gefechtsstand weiter nach vorn zog. Manch einer tat das so beflissen, daà er ohne Lebensgefahr nicht zu erreichen war. Er selber saà vorn, und seine Truppen traten auf der Stelle. Was hatte man davon?
Nach Serpilins Angriffsplan, oben bestätigt und für ihn verbindlich, sollte Mogiljow am Abend des fünften Tages genommen sein. Trotz aller Schwierigkeiten und Verzögerungen, vor allem am ersten Tag, schien das durchaus noch möglich. Wenn nicht nur die ersten Brückenköpfe gehalten, sondern neue dazugewonnen wurden, wenn die Hauptkräfte im Laufe des Tages den Dnepr erreichten und in der Nacht über den Fluà setzten, dann konnte man am Abend des nächsten Tages in Mogiljow sein.
Serpilin griff zum Hörer, wollte, bevor er losfuhr, Boiko letzte Anweisungen erteilen, doch da tauchte Boiko selbst schon in der Tür auf, fahrfertig. Am Umhang hingen Regentropfen.
»Nieselt's noch immer?«
»Das hört nicht auf. Ich will nur melden, daà ich mich wie vorgesehen an die neue Stelle begebe. Die Verbindung funktioniert. Der Chef der Operationsabteilung ist schon da.«
»Und Sacharow?« fragte Serpilin.
»Er ist um fünf Uhr zu Woronin gefahren. Der kommt und kommt nicht von der Stelle.
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