Der kleine Machiavelli by Noll Peter

Autor:Noll, Peter [Noll, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492962698
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2015-02-26T16:00:00+00:00

Sicherung der Macht

Obwohl die Verantwortung eines Managers mindestens nie systematisch realisiert wird, lebt er doch in einem gewissen Maße gefährlich, da es immer einmal geschehen kann, daß er für irgendeine Panne als Sündenbock herhalten muß. Das Schlimmste jedoch, was ihm passieren kann, ist die Entlassung mit großer Abfindungssumme. Einem bunten Vogel würde das wenig ausmachen; im Gegenteil, er wäre eher froh über die Gelegenheit, ein neues Leben anzufangen, zumal mit so massiver Starthilfe. Für eine graue Maus jedoch ist die Entlassung ein demütigendes, sie zur Verzweiflung treibendes Erlebnis; denn Alternativen kann die graue Maus sich in ihrem Leben ohnehin nicht vorstellen.

Also müssen sich die Manager – und die meisten sind ja graue Mäuse – nach möglichst vielen Seiten dagegen absichern, entlassen zu werden.

Grundsätzlich kann der Manager seine Macht auf zwei Weisen absichern: extern und intern. Die externe Absicherung besteht darin, daß der Manager Mitglied irgendeines angesehenen Gremiums wird, z. B. des Parlamentes oder des Vorstandes der Arbeitgebervereinigung. Hat er eine solche Position erreicht, dann kann er sich in seinem Unternehmen fast jeden Fehler leisten. Denn dieses kann es sich nun nicht mehr leisten, »seinen Parlamentarier« oder gar das Vorstandsmitglied der Arbeitgeberorganisation zu entlassen. Als erster Schritt zur externen Absicherung der Macht empfiehlt sich die Wahl in Kommissionen und Gremien, die dem Unternehmen nahestehen, z. B. in den Ausschuß des Branchenverbandes oder in eine Expertenkommission, die den Entwurf eines Gesetzes über die betreffende Branche vorbereiten soll. Gut, wenn auch etwas aufwendig, sind auch Vorträge bei Symposien der betreffenden Branche oder gar Lehraufträge an Hochschulen. Noch besser ist die Absicherung in branchenfremden Sparten. Wenn der Generaldirektor der Firma Pandora zugleich Aufsichtsrat bei der Gastrum ist, eventuell außerdem noch bei einem weiteren Multi, dann hat er eine optimale Sicherung erreicht. Würde seine Firma ihn als Generaldirektor entlassen, so wäre dies ein offensichtlicher Affront gegen die anderen Firmen. Hervorragend gute externe Absicherungen sind auch die Mitgliedschaft etwa im nationalen Komitee des Roten Kreuzes oder, wenn unser Manager beispielsweise in der Lebensmittelbranche tätig ist, die Mitgliedschaft in der internationalen Ernährungskommission.

Im Sonderfall Schweiz kommt dazu noch die militärische Karriere. Fast alle schweizerischen Topmanager haben hohe Führungschargen in der Armee, vom Hauptmann bis zum Obersten; erst in den höheren Rängen werden sie von reinen Berufsmilitärs abgelöst; immerhin gibt es doch auch einige Brigadiers, die im Nebenberuf Manager sind und in ihrem Büro etwa 60 % der Arbeitszeit dem Militär widmen. Da so viele Topmanager auch Topmilitärs sind, bedeutet dies für unseren Manager-Oberst, daß er in seinem Betrieb total abgesichert ist: Über Jahre hinaus haben ihm Managerkollegen im Militär seine besonderen Qualifikationen bescheinigt; wie könnte nun das eigene Unternehmen es wagen, ihn für irgendeine Panne im Unternehmen verantwortlich zu machen und plötzlich als unfähig einzustufen!

Nicht ganz unangenehme Nebenfolgen der externen Absicherung sind zusätzliche Macht in anderen Bereichen und über andere Menschen und, soweit dies überhaupt jemanden interessieren sollte, zusätzliches, vom Fiskus schwer zu kontrollierendes Geld.

Das Höchste im Leben eines Managers, vor allem wenn er nie den Doktorgrad erworben hat, ist es, Konsul zu werden. Damit hat er auch zugleich die beste externe Absicherung erreicht.

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