Der Kelch von Anavrin - Adrian, L: Kelch von Anavrin by Adrian Lara

Der Kelch von Anavrin - Adrian, L: Kelch von Anavrin by Adrian Lara

Autor:Adrian, Lara
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: LYX
veröffentlicht: 2012-05-23T04:00:00+00:00


17

Nebelschwaden durchzogen den hinteren Burghof. Kenrick schwang sein Schwert über dem Kopf und ließ es mit einem wuchtigen Hieb auf das Ziel niedersausen.

Der harte Aufprall, der in der frühmorgendlichen Stille nachhallte, zeugte von dem Treffer. Es war ein tödlicher Schlag gewesen, und die Klinge fuhr tief in den gepanzerten Torso des reglosen Gegners. Holzsplitter flogen aus der Übungsfigur, als Kenrick erneut einen Treffer landete; der mit einem Helm bewehrte Kopf der Puppe hüpfte auf der Pike, die ihn stützte.

Kenrick fasste die Schwachstelle mit einem grimmigen Lächeln, das kein Erbarmen kannte, ins Auge. Mit einem Aufschrei machte er seinem aufgestauten Zorn Luft und holte zu einem alles entscheidenden Hieb aus. Die Wucht des Schlages beförderte den zerbeulten Helm zu Boden; mit blechernen Geräuschen rollte er über den sanft abfallenden Burghof.

Der Ritter, der an der Rückseite des Burgfrieds Wache hielt, war der einzige Zeuge dieser frühen Schwertübung. Er begrüßte den Burgherrn mit einem Nicken und verließ dann kurz seinen Posten, um Kenrick zu Diensten zu sein. Während der Ritter loslief, um den Helm wiederzuholen, nahm Kenrick die Ringelkapuze vom Kopf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Für die spontane Übung im Freien hatte er sich eine leichte Rüstung angelegt, und die kunstvoll geschmiedeten Glieder des Kettenhemdes, die sich bis über die Arme zogen, erschwerten die Kampfübungen noch. Doch Kenrick genoss das Brennen seiner beanspruchten Muskeln. Es fühlte sich gut an, waren die Schmerzen doch eine willkommene Ablenkung von gänzlich anders gearteten Qualen, die ihn seit der vorzeitig abgebrochenen Verführung seines Gastes heimgesucht hatten.

»Ich möchte behaupten, dass dieser Bursche schon bessere Tage gesehen hat«, sagte der Wächter, als er den Helm wieder auf die Pike pflanzte. »Ihr seid sehr geschickt mit der Klinge, Mylord.«

»Habt Dank«, erwiderte Kenrick, doch das Lob nahm er eher widerwillig entgegen, wusste er doch, dass jeder der Männer in seinen Diensten gelobt hatte, den Burgherrn mit dem Leben zu schützen. »Ihr seid Sir Thomas, habe ich recht?«

Der Ritter hielt inne und nickte Kenrick dann ehrerbietig zu. »Aye, Mylord. Das ist mein Name.«

»Ihr habt eine kleine Tochter – Gwen, nicht wahr?«, fuhr Kenrick fort, denn er erinnerte sich an das, was ihm Haven vor einigen Tagen erzählt hatte.

»Aye, Mylord. Sie ist meine Älteste.« Sir Thomas’ Züge zeigten nun einen Ausdruck von Besorgnis, wenn nicht gar leise Furcht. Ganz so, als drohe ihm und seiner Familie der Zorn des unberechenbaren Burgherrn. »Wenn das Mädchen Euch zur Last gefallen ist, Herr …«

»Nein, keineswegs«, antwortete Kenrick und schüttelte den Kopf. »Überhaupt nicht. Ich habe nur gehört, dass es da unlängst einen Vorfall gegeben hat. Die Kleine wurde verletzt. Ich wollte mich erkundigen, wie es ihr jetzt geht.«

»Oh.« Erleichterung strömte in Sir Thomas’ müde Augen. »Aye, habt Dank, Mylord. Meiner kleinen Gwennie geht es wieder gut.«

»Schön«, erwiderte Kenrick. »Freut mich zu hören. Lasst mich wissen, wenn es Euch oder Eurer Familie an etwas mangeln sollte, Thomas. Ihr habt mir stets treu gedient – meinem Vater schon, meiner Schwester, und jetzt mir –, und ich bin dankbar für Eure Mühen.«

Nun strahlte der Mann über das ganze Gesicht, als habe er ein Lob des Königs erhalten.



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