Der Kaiser von China by Tilman Rammstedt

Der Kaiser von China by Tilman Rammstedt

Autor:Tilman Rammstedt [Rammstedt, Tilman]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: DuMont
veröffentlicht: 2011-01-01T00:00:00+00:00


Gleich am Morgen nach der Nacht bei meinem Großvater im Krankenhaus war ich ins halbrenovierte Gartenhaus gezogen. Die Fragen meiner Geschwister hatte ich erfolgreich abgeblockt, mein Großvater stellte, als er nach einer Woche entlassen worden war, so gut wie gar keine. »Hast du alles, was du brauchst?«, wollte er nur wissen, und ich beschloss, dass er damit nur die Ausstattung des Gartenhauses meinte, und nickte. Mein Großvater stellte ab diesem Zeitpunkt ohnehin nur noch wenig Fragen, er gab auch wenig Antworten, er verfiel nun vor unseren Augen in irrwitziger Geschwindigkeit, von Stunde zu Stunde mehrten sich die Symptome, und die einzige, die sich keine Sorgen um ihn zu machen schien, war Franziska, obwohl doch eigentlich sie es war, die sich mit Geschwindigkeit auskannte.

Am Tag der Entlassung meines Großvaters war sie abends zu mir gekommen. »Was glaubt er eigentlich, wer er ist?«, rief sie und versuchte, im Gartenhaus auf und ab zu laufen, das dafür aber zu klein war, sodass sie stattdessen auf der Stelle hüpfte. »Glaubt er etwa, er findet noch eine Bessere? Glaubt er, er findet eine Jüngere?« Wenn überhaupt, dann hätte sie ihn verlassen müssen, ja genau, so herum gehöre sich das, und sie begann, wahllos irgendwelche Gegenstände zu zerstören, nahm das Weinglas vom Tisch, drehte es ein wenig hin und her, bevor sie es mit einem nüchternen Schlag an der Fensterbank zerschlug, mit einer Schere schnitt sie gleichmäßige Zickzacklinien in die Gardine, sie warf mein Handy auf den Boden und zerdrückte es so ausgiebig mit ihrem Stiefel, dass es anschließend dar an haften blieb.

Es tat mir zwar leid um meine Sachen, aber dennoch versuchte ich nicht, Franziska aufzuhalten, es tat gut, das Splittern zu hören, das Krachen und Reißen, und ich hielt ihr sogar einladend geeignete Gegenstände hin, Geschirr, meine Nachttischlampe, den Keramikaschenbecher, doch sie ignorierte das alles und trat lieber so lange gegen ein Stuhlbein, bis es abbrach. Dann hatte sie anscheinend genug, sie setzte sich aufs Bett und schlug die Hände vors Gesicht, aber sie sollte jetzt nicht aufhören, sie sollte das ganze Haus kurz und klein schlagen, sie sollte unter gar keinen Umständen dort so eingefallen sitzen, und deshalb nahm ich selbst den Aschenbecher und warf ihn auf den Boden. Er zersprang nicht, rutschte nur einen halben Meter Richtung Bett und blieb dann irgendwo zwischen Franziska und mir liegen. Wir betrachteten ihn beide. Es war jetzt sehr ruhig.

»Soll ich dir beim Aufräumen helfen?«, fragte sie schließlich, ich schüttelte den Kopf, und Franziska stand auf. »Dann bis morgen«, sagte sie, als sei das selbstverständlich, aber ich sagte auch: »Bis morgen«, und ich merkte, dass mich das freute.

Ob sie eigentlich glaube, dass er uns gesehen habe, fragte ich Franziska, als sie schon in der Tür stand. Sie sah mich verständnislos an. »Wobei?«, fragte sie. »Du weißt schon«, sagte ich, »im Krankenhaus«, und Franziska runzelte die Stirn, dann lächelte sie kurz und sagte: »Das hättest du wohl gern.«

Und ich wusste nicht, ob ich das wirklich gern hätte, ich wusste nicht, was mir mehr Sorgen bereiten sollte, dass



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