Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914â1918 by Manfried Rauchensteiner
Autor:Manfried Rauchensteiner [Rauchensteiner, Manfried]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: 1. Weltkrieg, Sarajevo, Franz Ferdinand, Österreich-Ungarn, Habsburger, Urkatastrophe
ISBN: 978-3-205-79259-8
Herausgeber: Böhlau Verlag
veröffentlicht: 2013-05-14T16:00:00+00:00
Hohenzollern gegen Habsburg
Hatte Minister Burián noch 1915 den Anschein erweckt, dass er keinen Siegfrieden wollte, so hatte das Jahr 1916 mit seinen so unterschiedlichen Ereignissen und einer immer länger werdenden Liste an Opfern und EinbuÃen dazu geführt, umzuschwenken. Zum einen waren es gerade die Rückschläge, die die Ansicht verstärkten, dass die Opfer im Krieg nur durch entsprechende Ergebnisse zu rechtfertigen wären. Dann aber wollte Burián Siegeszuversicht demonstrieren, vor allem aber das Deutsche Reich dafür gewinnen, dass es die genannten Ziele zu seinen eigenen machte. Denn die Identifikation Deutschlands mit der Existenz und der Integrität der Habsburgermonar [<< 614] chie schien aus auÃenpolitischen, militärstrategischen, wirtschaftlichen und vor allem auch innenpolitischen Gründen wichtig. Insofern hatte also die Gemeinsame Oberste Kriegsleitung weitaus mehr als rein militärische Bedeutung, und vielleicht erklärt gerade die Art, in der sich der Minister des ÃuÃern der neuen Möglichkeiten bedienen wollte, weshalb er zu den engagiertesten Befürwortern einer stärkeren deutschen Einflussnahme gehört hatte. Er teilte offenbar auch nicht die Bedenken Tiszas und ebenso wenig die der ungarischen Opposition hinsichtlich der deutschen Präponderanz. Da galt schon mehr, was die Autoren der »Denkschrift aus Deutsch-Ãsterreich« geschrieben hatten: »Die Macht als solche wird im Völkerverkehr noch eine gröÃere Rolle spielen als bisher. Darin liegt ein unabweisbarer Antrieb für die beiden Reiche der europäischen Mitte, ihren Wehr- und Wirtschaftsverband zu begründen und auszubauen.«1370 Burián konnte aber mit seinen weit gespannten Forderungen und dem Versuch, den Anschein von Stärke zu erwecken, über nichts hinwegtäuschen. Am wenigsten über die Krisensymptome. Denn fast zur gleichen Zeit, wie er über die Kriegsziele philosophierte, sprach ein ausführlicher Bericht des deutschen Botschafters in Wien, Heinrich von Tschirschky, die heiklen Punkte in aller Ungeschminktheit an. Und selbst wenn wir eine gewisse Ãberheblichkeit in Abzug bringen, bleibt noch genug Bedenkenswertes.1371
Tschirschky leitete mit der Feststellung ein: »Je länger der Krieg dauert, desto mehr drängt sich einem die Frage auf, wie lange die österreichisch-ungarische Monarchie noch im Stande sein wird, den Kampf auszuhalten, und zwar sowohl in militärischer wie auch in wirtschaftlicher Beziehung ⦠Das Soldatenreservoir nähert sich seiner Erschöpfung, und wir müssen damit rechnen, im nächsten Frühjahr Ãsterreich-Ungarn am Ende seiner militärischen Kräfte zu sehen, wenn nicht wenigstens auf dem Gebiete der Geschütz- und Munitionserzeugung bis dahin unter unserer Leitung entscheidende Fortschritte gemacht werden sollten.« Er kam dann auf die wirtschaftliche Situation und die damit engstens verbundenen innenpolitischen Verhältnisse zu sprechen und führte weiter aus: »Es fehlt an jeder durchgreifenden Organisation, und wo die Ansätze nach unserem Muster gemacht worden sind, müssen diese noch an der landesüblichen âºSchlampereiâ¹ und Protektionswirtschaft scheitern. Nirgends wird systematisch vorgegangen, Verordnungen werden ohne Sachkenntnis und ohne Anhörung von Fachleuten und meist nur für das eine oder andere Kronland erlassen, was eine durchaus ungerechte Verteilung der Lebensmittel zur Folge hat. Das Volk in den Vorstädten Wiens hungert und ist durch das viele Stunden dauernde, oft auch noch ergebnislose âºAnstellenâ¹ vor den Lebensmittel[geschäfte]n bis auf das äuÃerste gereizt ⦠Dazu kommen die nicht sehr günstigen diesjährigen Ernten in Ãsterreich und in Ungarn sowie die unglückseligen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden
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