Der Dschungel by Upton Sinclair

Der Dschungel by Upton Sinclair

Autor:Upton Sinclair [Sinclair, Upton]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783905811704
Herausgeber: Europa Verlag AG Zürich
veröffentlicht: 2013-08-04T16:00:00+00:00


19

»MADAME HAUPT • HEBAMME« stand auf dem Schild, das von einem Fenster über einer Kneipe in der Avenue herabhing; an einer Seitentür befand sich ein weiteres Schild mit einer Hand, die eine schmutzige Treppe hinaufwies. Jurgis nahm immer drei Schritte auf einmal.

Madame Haupt briet Schweinefleisch mit Zwiebeln und hatte ihre Tür halb offen, um den Dunst abziehen zu lassen. Als Jurgis anzuklopfen versuchte, ging die Tür ganz auf, und er erhaschte einen Blick auf die Hebamme, wie sie gerade eine schwarze Flasche an die Lippen setzte. Dann klopfte er lauter, woraufhin sie erschrak und die Flasche rasch wegstellte. Sie war eine überaus dicke Deutsche; beim Gehen schaukelte sie wie ein kleines Boot auf Meereswellen und brachte das Geschirr im Küchenschrank zum Klirren. Der blaue Morgenrock, den sie trug, starrte vor Schmutz, und ihre Zähne waren schwarz.

»Was wollen Sie?« fragte sie, als sie Jurgis sah.

Er war den ganzen Weg gerannt und hatte jetzt so wenig Luft, daß er kaum sprechen konnte. Seine Stoppelhaare standen wirr durcheinander, seine Augen flackerten – er sah aus wie soeben dem Grabe entstiegen. »Meine Frau!« keuchte er. »Kommen Sie schnell!«

Madame Haupt setzte die Bratpfanne zur Seite und wischte sich die Hände am Morgenmantel ab. »Sie haben also eine Entbindung für mich?«

»Ja.«

»Ich bin eben erst von einer zurück«, sagte sie. »Habe noch nicht einmal Zeit zum Essen gehabt. Aber wenn es so pressiert ...«

Ihr Englisch hatte einen sehr starken deutschen Akzent, doch Jurgis, der sie ohnehin nur mit Mühe verstand, hatte weder Ohr noch Sinn für die unfreiwillige Komik ihrer Aussprache und rief: »Ja, das tut es!«

»Dann wollen wir mal sehen. Was sind Ihnen meine Dienste denn wert?«

»Ich ... ich ...« stotterte Jurgis. »Wieviel verlangen Sie?«

»Fünfundzwanzig Dollar.«

Jurgis klappte das Kinn herunter. »Soviel kann ich nicht.«

Die Frau fixierte ihn. »Und wieviel können Sie?«

»Muß ich gleich zahlen – jetzt hier?«

»Selbstredend. Das tun alle meine Kunden.«

»Ich ... ich habe nicht viel«, setzte er voller Angst an. »Ich war im ... äh ... in Schwierigkeiten ... und mein Geld ist alle. Aber ich bezahle Sie, sobald mir’s möglich ist. Ich kann arbeiten ...«

»Was haben Sie denn für eine Arbeit?«

»Im Moment keine. Ich muß mir eine neue suchen. Aber ich ...«

»Wieviel haben Sie bei sich?«

Er wagte es kaum auszusprechen. »Eineinviertel Dollar.«

Sie lachte ihm ins Gesicht. »Dafür tät ich nicht einmal meine Haube aufsetzen.«

»Es ist alles, was ich besitze«, flehte er mit brechender Stimme. »Ich muß wen haben – meine Frau stirbt sonst. Ich kann doch nicht dafür ... Ich ...«

Madame Haupt hatte ihr Schweinefleisch mit den Zwiebeln wieder aufs Feuer geschoben. Sie drehte sich zu Jurgis herum und antwortete aus dem Dunst und Gebrutzel heraus: »Zehn Dollar auf die Hand, und ich bin einverstanden, daß Sie mir den Rest nächsten Monat bringen.«

»Das kann ich nicht – ich habe keine zehn Dollar, sondern bloß die eineinviertel!«

Sie wandte sich wieder ihrer Bratpfanne zu. »Glaube ich Ihnen nicht«, erklärte sie. »Das sagen doch alle, weil sie den Preis drücken wollen. Wie kommt es, daß ein so großer, starker Mann wie Sie nur eineinviertel Dollar hat?«

»Ich



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.