Davide Venier 01 - Der Spion des Dogen by Stefan Maiwald

Davide Venier 01 - Der Spion des Dogen by Stefan Maiwald

Autor:Stefan Maiwald [Maiwald, Stefan]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik, Historische Romane
ISBN: 9783423430500
Herausgeber: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München
veröffentlicht: 2016-10-24T23:00:00+00:00


Der Abend war klar und kühl. Der Dunst, der noch während der Dämmerung in den Gassen gehangen war, hatte sich aufgelöst, der zunehmende Mond stand nun hoch und klar am Himmel. Davide hatte Schwierigkeiten gehabt, eine Gondel zu finden, irgendwo schien ein größeres Gastmahl stattzufinden. Vielleicht feierte man im legendären Cà da Mosto mit seiner byzantinischen Fassade, dessen Hausherr, ein Abkömmling katalanischer Gewürzhändler, das goldene Geschirr nach den einzelnen Gängen nicht waschen, sondern mit großer Geste in den Canal Grande werfen ließ. (Dass er noch in der Nacht nach dem rauschenden Fest seine Diener losschickte, die möglichst viele der wertvollen Teller wieder herausfischen sollten, war ein Gerücht, das sich hartnäckig hielt.) Davide war zu solchen Zusammenkünften der Reichen und Schönen längst nicht mehr eingeladen. Und er bezweifelte, dass sich daran künftig etwas ändern würde.

Als Davides Gondel in den Kanal des Palazzos einbog, empfing ihn eine bizarre Szene. Alle Stockwerke des palazzo delle troie waren beleuchtet. In jedem Stockwerk schienen Tausende von Kerzen und Öllampen zu brennen.

Eine Transportgondel mit einem Ruderer kam ihnen entgegen. Er deutete mit dem Kinn auf das Lichtermeer. »Ist der palazzo delle troie denn wieder in Betrieb?«, rief er seinem Kollegen zu.

Davides Gondoliere am Heck zuckte mit den Achseln und schob die Unterlippe hervor. »Boh.«

Davide ließ sich absetzen. Das Lichtermeer tat beinahe in den Augen weh. Es war offensichtlich, dass den beiden Gondolieri die Frage nach dem Palazzo auf den Lippen brannte, doch ein fürstliches Trinkgeld und die unmissverständlich knappe und harsche Aufforderung, gefälligst zu warten, ließ sie den Mut verlieren, ihren Fahrgast damit zu behelligen.

Da hatte Andrea aber eine schöne Überraschung für ihn arrangiert. Tatsächlich flackerten im marmornen Empfangssaal die Kerzen wie zu den profitabelsten Tagen des Palazzos. Doch die Kerzen, allesamt aus wertvollem Bienenwachs und mit Arsenik geweißt, flackerten in völliger, absurder Stille. Beinahe hörte man die Flammen im Lufthauch hin- und herwogen. Nichts deutete auf den Gastgeber hin. Oder darauf, dass ein Gast erwartet wurde. Es war gespenstisch. Davide spürte, dass hier etwas nicht stimmte.

»Andrea?«, rief er mehrmals. Doch als Antwort kam nur ein schwaches Echo seiner eigenen Stimme. Er zog sein Stilett hervor, während er die Treppe zum ersten Stock emporschritt. »Andrea?«, rief er noch einmal.

Alle Türen des ersten Stocks waren geschlossen, nur die am Ende des Gangs stand offen. Auch hinter ihr flackerte und leuchtete es munter. Was mochte sich Andrea überlegt haben? Eine große Versöhnungsfeier? Zuzutrauen wäre es diesem Strolch, dachte Davide. Ein gemeinsames Gelage, und alles wäre wieder im Reinen: Diese Überlegungen waren allzu typisch für seinen ehemaligen Geschäftsfreund.

Davide ging auf den geöffneten Raum zu, aus dem das Licht in dicken, goldenen Wellen heraus auf den Gang schwappte. Er kniff die Augen zusammen und betrat den Raum, in dem früher die barbieri ihren Dienst versehen hatten. Seine Augen brauchten eine ganze Weile, um sich an die blendende Helligkeit zu gewöhnen, die aus Hunderten Kerzenständern und Öllampen loderte. Irgendjemand musste sich die Mühe gemacht haben, all diese großen, schweren Ständer aus Messing und Silber aus dem gesamten Palazzo hier hereinzutragen.

Andrea war es sicher nicht gewesen.



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