Das Schloss der verlorenen Traeume by Eve de Castro

Das Schloss der verlorenen Traeume by Eve de Castro

Autor:Eve de Castro [Castro, Eve de]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
veröffentlicht: 2014-06-12T22:00:00+00:00


ES IST EIN FRISCHER Frühlingsmorgen, und es regnet nicht. Der König hat beschlossen, seine Gattin und seine beiden Favoritinnen nach Versailles mitzunehmen, um die Baustelle zu besichtigen. Die Königin hält sich nicht gern an der frischen Luft auf, und Louise de La Vallière reitet lieber, als dass sie zu Fuß geht, weil sie hinkt. Madame de Montespan genießt den Ausflug, denn sie findet Geschmack an der Architektur, und Seine Majestät erfreut sich daran, ihr immer wieder zu beweisen, dass seine Größe und die seines Schlosses unvergleichlich sind. Er befördert die drei Damen gemeinsam in seiner Karosse von Saint-Germain nach Versailles.

Maria Theresia sitzt neben ihm, Louise und Françoise ihm gegenüber. Alle drei sind blond, aber der Perückenmacher Quentin behauptet, dass es nur einer einzigen Haarsträhne bedarf, um sie zu unterscheiden. Die Königin ist aschblond und hat krauses Haar, das an die Frisur der verstorbenen Königinmutter erinnert. Das Haar von Mademoiselle de La Vallière ist hell und glatt wie das einer Nymphe, die gerade aus dem Wasser steigt, und die Naturlocken der Marquise de Montespan sind von der Farbe reifen Getreides und gäben eine wundervolle Perücke ab. Amüsiert wandert Louis’ Blick von einer zur anderen, was er allerdings unter seiner üblichen Maske verbirgt. Die Frauen sind so ungleich wie eine Gans, eine Taube und ein Adlerweibchen, und er liebt es ebenso, sie zu beobachten, wie ihnen beizuwohnen. Die Erste ist dumm, die Zweite ist schüchtern, die Dritte hinreißend. Dazu verdammt, einander zu ertragen, beneiden und hassen sie sich. Um jedoch dem König nicht zu missfallen, lächeln sie und schwatzen miteinander, als wären sie die besten Freundinnen der Welt. Louis begehrt die Dumme, weil er dem kleinen Dauphin Brüder schenken will, die Hinreißende, weil sie ihn glücklich macht, und die Schüchterne, weil sie ihm nicht nur als Deckmantel gedient hat, als er mit seiner Schwägerin turtelte, sondern weil er jetzt auch seine Liebe zu einer verheirateten Frau und Mutter hinter ihr verstecken kann. Natürlich weiß er, dass sich weder der Hof noch Paris täuschen lassen, aber zu regieren bedeutet nun einmal, sich gleichermaßen zur Schau zu stellen und zu verbergen. Mehr als jeder andere Sterbliche muss der König den Schein wahren.

Seit seiner Rückkehr aus Flandern sind die Arbeiten in Versailles, vor allem die im Park, gut vorangekommen. Von der westlichen Terrasse aus bewundern seine Frau, seine beiden Mätressen und ein Dutzend Vertraute erstaunt die Perspektive der unteren Gärten, die erst vor Kurzem neu bepflanzt und dann wieder aufgerissen wurden, um die Wasserzufuhr zum zukünftigen Grand Canal zu ermöglichen, dessen riesiges Sumpfloch am Horizont erkennbar ist.

Die sehr kurzsichtige Königin kneift die Augen zusammen und erkundigt sich mit verunsicherter Stimme: »Wo bleibt denn der Fortschritt, von dem Ihr gesprochen habt, Sire? Wenn ich es richtig sehe, herrscht hier noch größere Unordnung und gibt es noch mehr Schlamm als zuvor.«

Die Marquise de Montespan lächelt. Mit einem einzigen Wort könnte sie die fette Spanierin lächerlich machen, der sie nach wie vor als Hofdame dient. Sie hält sich nur zurück, weil der König nicht duldet, dass man der Königin keinen Respekt zollt.



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